Klinik für Neurologie/ Schlaganfalleinheit

Nicht allein, wenn es darauf ankommt

(20.11.2023)

Palliativstation des Klinikums und Spezialisierter Ambulanter Palliativdienst Pallidomo vernetzen sich enger. Gut begleitet in einer schweren Lebensphase. Neu: Palliativmedizinische Sprechstunde

Menschen, die an einer fortgeschrittenen unheilbaren Erkrankung leiden, sind in Straubing nicht allein. Seit 2008 gibt es die Palliativstation am Klinikum, die über zehn Betten verfügt. Seit 2012 gibt es zusätzlich Pallidomo, den Spezialisierten Ambulanten Palliativdienst (SAPV). Er geht auf die ausdauernde Initiative des Franziskus Hospizvereins zurück und begleitet Patienten medizinisch und mit „palliative care“ daheim, so dass sie frei von belastenden Symptomen in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können. Jetzt arbeiten beide Institutionen, die jeweils eigenständig sind, sich aber schon immer im gleichen Anliegen verbunden fühlten, noch enger ärztlich zusammen. Und die Palliativstation bietet eine Neuerung, nämlich eine ambulante Sprechstunde, an.

Die Barmherzigen Brüder waren von Beginn an Mitgesellschafter von Pallidomo, einer gemeinnützigen GmbH, der auch das Ärztenetz Donaumed, der Franziskus Hospizverein und verschiedene Pflegedienste (allen voran der Pflegedienst Protschka und Mobile Krankenpflege Hunderdorf), Ärzte und sonstige Leistungserbringer eng verbunden sind. Seit 2021 sind die Barmherzigen Brüder Mehrheitsgesellschafter.

Allein mit niedergelassenen Ärzten, die diesen Dienst als Honorarkräfte nebenbei oder nach Einstieg in den Ruhestand mit hohem persönlichen Engagement leisteten, sei die Arbeit von Pallidomo nicht mehr zu bewerkstelligen gewesen, so die Erkenntnis der Beteiligten. Sie suchten gerade die letzten Jahre händeringend Verstärkung: Der Patienten-Zuspruch für Pallidomo ist stetig gewachsen. Damit die Einsätze. Nur woher die Ärzte nehmen? Überdies habe die Belastung sich zugespitzt: Hospize sind voll, Pflegeheime an der Kapazitätsgrenze und Hausärzte sowie ambulante Pflegedienste ebenfalls vielfach personell am Limit, sagt Dr. Carmen Müller. „Es gibt überall Wartelisten.“

Verstärkung durch Klinikums-Ärzte

Verstärkung durch Klinikums-Ärzte sei da ein naheliegender Gedanke gewesen, sagt Pallidomo-Geschäftsführerin Dagmar Griesbeck. Man habe angefragt. „Und es haben sich Kollegen gefunden, die dazu bereit sind“, sagt Dr. Carmen Müller. Noch in der Klinikum-Geschäftsführung von Dr. Christoph Scheu wurde diese ärztliche Unterstützung angebahnt. Sie ist erfolgreich ins Laufen gebracht worden und wird von Dr. Martin Baumann, seinem Nachfolger, in gleicher Weise mitgetragen.Acht Ärzte sind jetzt bei Pallidomo tätig, vier davon arbeiten hauptamtlich am Klinikum. Diese niedrigschwellige Vernetzung von Palliativstation und Pallidomo nennt Dr. Martin Baumann „einen Segen“. Deshalb unterstützt er wie sein Vorgänger auch, dass Weiterbildungen von Ärzten in Palliativmedizin von den Barmherzigen Brüdern als Krankenhausträger aus Überzeugung verlässlich finanziert werden.

Es sei so wichtig, den ambulanten Bereich zu stärken und den Betroffenen Ansprechpartner zu bieten, sagt Dr. Carmen Müller. Das werde umso bedeutsamer, als die pflegende Schwiegertochter heute der Ausnahmefall sei. Viele lebten allein oder könnten nur zeitweise auf Angehörige zurückgreifen. Eine Option im Notfall sei vor diesem Hintergrund zum Beispiel das im BRK-Heim Mitterfels durch Pallidomo eingerichtete „Brückenzimmer“.Pallidomo hat zwischenzeitlich eine neue Ärztliche Leitung bekommen. Dr. Jochen Giesler trat die Nachfolge von Dr. Matthias Demandt an, der nach über zehn Jahren Patientenversorgung im Palliativteam Pallidomo in Ruhestand ging. Seit Januar 2012 war Dr. Demandt zunächst als stellvertretender Leiter, seit 2018 als Ärztlicher Leiter, immer Stütze und Säule des SAPV-Teams und bei Patienten und Angehörigen in seiner empathischen Art vertrauensvoll in Anspruch genommener Ansprechpartner bei deren Sorgen und Nöten.

Neue Ärztliche Leitung bei Pallidomo

Dr. Jochen Giesler ist ursprünglich Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde. Danach hat er Betriebswirtschaft studiert, orientierte sich beruflich um und war in einem Sanitätshaus tätig, wo er sein medizinisches wie wirtschaftliches Wissen verbinden konnte. Er hat mit der Palliativmedizin einen neuen, einen zweiten Zugang zur Medizin gefunden. „Eine erfüllende Aufgabe“, sagt er. Auf der Palliativstation in Straubing hat er die Zusatzqualifikation Palliativmedizin erworben. Seit Anfang 2023 ist er Teil des SAPV-Teams und seit Oktober dessen Ärztlicher Leiter. Zu einem Viertel seiner Arbeitszeit bleibt er auf der Palliativstation tätig. „Ein Glücksfall“, urteilen alle Beteiligten. Unterstützt wird er von Dr. Mathilde von Grafenstein-Witte, die seine Stellvertreterin bleibt. Das gesamte Pallidomo Team freut sich über die lückenlose Nachbesetzung und gönnt Dr. Demandt den Ruhestand im zweiten Anlauf.

Pallidomo wird immer dann tätig, wenn der Hausarzt eines Patienten oder sein behandelnder Facharzt eine Betreuung durch den Spezialisierten Ambulanten Palliativdienst für sinnvoll erachten und initiieren. „Der Patient oder Angehörige muss immer den Weg über den behandelnden Arzt gehen“, sagt Dr. Jochen Giesler. A und O des Erfolgs des seit Jahren gewachsenen Palliativnetzwerkes in Straubing sei, dass Patienten wie Angehörigen die Informationen erreichen. „Wir wollen Angehörige bestärken. Auch und gerade mit dem Wissen, was es an Hilfen gibt“, versichert er.

Schnittmengen zwischen ambulant und stationär

Es gibt große Schnittmengen zwischen der Palliativstation und Pallidomo, sagt Dr. Carmen Müller, die Ärztliche Leiterin der Palliativstation. Von hier nach Hause entlassene Patienten würden vielfach von Pallidomo weiterbetreut und Pallidomo überweise auch Patienten an die Palliativstation, wenn es daheim nicht mehr geht. Oft können ausgeprägte Symptome fortschreitender Erkrankungen wie Angst, Luftnot, Übelkeit, Erbrechen oder Schmerzen während eines stationären Aufenthalts soweit gebessert werdenwerden, dass es danach zuhause wieder leichter mit Unterstützung weitergehen kann. So ihre Erfahrung.

Dabei ist auch die Unterstützung durch entsprechend geschulte Pflegekräfte von Pallidomo im ambulanten Bereich wichtig. So kann auch eine komplexere Behandlungspflege, wie eine großflächige Wundversorgung oder Versorgungen von Drainagen in der gewohnten Umgebung erfolgen. Gemeinsames Ziel der beiden Institutionen: „Lebensqualität und Selbstbestimmung zu erhalten, zu fördern und, wenn möglich, zu verbessern.“ Dieses Anliegen haben auch Konsile in anderen Abteilungen des Klinikums – rund 600 waren es allein im vergangenen Jahr. Palliativmediziner suchen dabei schwerkranke Patienten auf und finden gemeinsam eine individuell maßgeschneiderte Perspektive.

Einen weiteren Baustein in der vielschichtigen Versorgung schwer kranker Menschen will das Team der Palliativstation neben der stationären Versorgung jetzt mit dem Angebot einer ambulanten palliativmedizinischen Sprechstunde im Klinikum beisteuern. Sie richtet sich an Patienten mit nicht heilbaren Erkrankungen und soll eine Ergänzung zur Betreuung und Therapie durch Haus- und Fachärzte sein, sagt Dr. Carmen Müller, die mit ihrem Kollegen Oberarzt Dr. Maximilian Meßmann in der Sprechstunde das Gegenüber ist. Bei Bedarf können auch Mitglieder des Palliativ Care-Pflegeteams, des Sozialdiensts, der Seelsorge oder der Psychologe die passenden Ansprechpartner sein. Die Sprechstunde sei ein eigenständiges Angebot und Teil der wachsenden Schnittmenge zwischen ambulant und stationär.

„Ein frühzeitiger Kontakt kann helfen, körperliche, psychische und soziale Probleme rechtzeitig anzusprechen und individuell nach Bedarf weitere Netzwerkpartner im palliativen Bereich einzubeziehen“, sagt Dr. Carmen Müller. Sollte der Patient nicht in der Lage sein, in die Sprechstunde zu kommen, könne ihn auch ein Angehöriger vertreten. Es brauche dazu aber eine Schweigepflichtsentbindung und Erlaubnis zur Datenweitergabe.

Frühzeitiger Kontakt kann hilfreich sein

Bei der Beratung könne es zum Beispiel um Möglichkeiten der Symptomtherapie und -kontrolle bei fortgeschrittenen schweren Erkrankungen gehen, sagt Dr. Carmen Müller. Auch darum, ob eine Aufnahme in die Palliativstation eine passende Maßnahme wäre oder eine palliativmedizinische Versorgung in den eigenen vier Wänden. Es könnten häusliche Versorgungsprobleme thematisiert werden, ebenso wie die Überlastung von pflegenden Angehörigen gemindert werden kann. Auch sozialrechtliche Fragen können angesprochen werden und wie man wo praktische Unterstützung durch Ambulanten Palliativdienst oder ehrenamtlichen Hospizdienst erhalten kann.

Die Versicherung eines Patienten spiele für die Nutzung der Sprechstunde keine Rolle, sagt Dr. Carmen Müller. Privatversicherte könnten die Rechnung an ihre Krankenversicherung weiterleiten, gesetzlich Versicherte müssen die geringen, völlig überschaubaren Kosten selber tragen. Das Ergebnis des Gesprächs werde im Nachgang schriftlich zusammengefasst und an den Patienten geschickt, der sich dann mit seinem Hausarzt darüber abstimmen kann. Medikamentenrezepte würden in der Sprechstunde nicht ausgestellt, auch keine Therapie-Änderungen vorgenommen. „Das soll nur in Absprache zwischen Patient und behandelndem Arzt erfolgen.“ Der Grundsatz: „Kooperation statt Konkurrenz“ – das gilt generell für das palliativmedizinische Engagement in der Region. Damit Menschen in ihrer letzten Lebensphase und ihre Angehörigen eine Sorge weniger haben. 

Info Die palliativmedizinische Sprechstunde vergibt Termine von Montag bis Donnerstag nach Vereinbarung unter Tel. 09421/710-1423. Eine schriftliche Anmeldung ist auf der Website der Palliativstation des Klinikums möglich.

Quelle: MonikaSchneider-Stranninger, Straubinger Tagblatt vom 18.11.2023

Palliativmedizin