Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde | Kopf-Hals- und Plastische Gesichtschirurgie

Heimatnahe Behandlung

(23.01.2024)

HNO-Chefarzt Prof. Antoniu-Oreste Gostian hat mit einem kleinen Team am Klinikum St. Elisabeth binnen weniger Monate eine Cochlea Implant-Versorgung aufgebaut

„Nicht hören trennt von den Menschen“, sagt Prof. Dr. Antoniu-Oreste Gostian. Seit einem Jahr ist er Chefarzt der HNO-Klinik am Klinikum St. Elisabeth, der einzigen in Niederbayern. „Schlecht hören führt zu großem Stress und oft sozialem Rückzug.“ Angesichts einer älter werdenden Gesellschaft werde das künftig eine noch größere Herausforderung, macht er deutlich, und damit auch eine umfassende heimatnahe Versorgung. Dazu hat Gostian in wenigen Monaten ein bisher in Straubing fehlendes Puzz-leteil beigetragen. Mit einem kleinen Team hat er eine Cochlea-Implant-Versorgung an der HNO-Klinik aufgebaut.

Schätzungen zufolge gibt es 30 000 Cochlea-Träger in der Bundesrepublik. Der ehemalige bayerische Ministerpräsident Dr. Günther Beckstein ist ein prominentes Beispiel. Gostian hat ihn kennengelernt, als er in Erlangen, einer der renommiertesten HNO-Kliniken Deutschlands, vor seinem Antritt in Straubing tätig war. Beckstein wirbt bei ebenfalls Betroffenen für die CI-Versorgung.

Straubinger konnten bisher als nächstgelegenem Ort an der Uniklinik Regensburg oder in München oder Salzburg eine solche Versorgung erfahren, sagt Gostian. Er wollte eine Lücke schließen, allemal angesichts der in Straubing seit Jahren etablierten ambulanten Nachsorge für CI-Träger im Bayerischen Cochlea-Implant-Zentrum am Institut für Hören und Sprache.

Mit einem Team aus seiner HNO-Klinik hat Gostian in wenigen Monaten nicht nur eine wöchentliche Sprechstunde für potentielle CI-Träger etabliert. Angesichts aberhunderter Hörprüfungen hier gehe es nur um einen kleinen Anteil, aber der sei arbeitsintensiv. Er hat mit Rückendeckung des Hauses auch die technische Ausstattung für Diagnostik und Operation und das nötige Personal rekrutiert.

Es gibt keine Altersbeschränkung

Zehn Patienten hat er im zurückliegenden halben Jahr bereits operiert. Der jüngste fünf Jahre alt, der älteste 92. Eine Altersgrenze gebe es nicht, versichert er, es komme vielmehr darauf an, dass der Patient geistig fit sei und im Leben stehe, sprich sozial aktiv. „Dann ist das sinnvoll und erfolgversprechend.

“Geeignet sei das Implantant für Menschen, die noch über ein, wenn auch sehr geringes Rest-Hörvermögen verfügen, sagt Dr. Gabriella Varga. In der Sprechstunde nehme man sich die Zeit und führe eine umfangreiche Hördiagnostik, auch radiologisch, durch. Es geht auch um die Vorgeschichte. Vielfach kämen Menschen, die seit langem Hörgeräte tragen, aber damit nicht mehr den nötigen Effekt erreichen, auch Menschen nach Hörsturz.

Operation dauert nur etwa eineinhalb Stunden

Falle eine Entscheidung für ein CI, rate man dem Patienten wenige Wochen vor der OP zu einer vorsorglichen Pneumokokken-Impfung – zum Schutz vor einer Hirnhautentzündung. Die OP dauere nur etwa eineinhalb Stunden, sagt Prof. Gostian, und der Patient verlasse in der Regel nach drei Tagen das Klinikum. Dann müsse das Implantat etwa vier Wochen einheilen, ehe es erstmals in Betrieb genommen werde. Die ersten Höreindrücke seien bereits da vorhanden, sagt Dr. Gabriella Varga. Dann sei beim Patienten Geduld gefordert - bei etwa 20 ambulanten Rehaterminen am Bayerischen CI-Zentrum am Institut für Hören und Sprache, die sich über Monate verteilten. Wann der Patient gut höre, sei unterschiedlich, manchmal schon nach wenigen Monaten. „Man muss üben.

“Viele hätten eine zermürbende Vorgeschichte mit Hörgeräten, sagt Gostian, der aber immer vor zu hohen Erwartungen warnt. Mancher sei skeptisch, mancher sofort zu einem Implantat bereit, allemal wenn das an seinem Wohnort möglich sei. Eine finanzielle Hürde gibt es nicht, denn bei überzeugender Begründung tragen Krankenkassen die Kosten. Die implantierende Klinik sei für den Patienten dann dauerhaft verantwortliche Anlaufstelle, an die er sich wenden könne.

Erfahrungsbericht

 Ion Pahomi: „Eine ganz neue Welt“

Den 6. November 2023 wird Ion Pahomi und seine Familie nicht vergessen. Es ist der Tag, an dem der 22-jährige Moldawier am Klinikum St. Elisabeth operiert wurde. Prof. Antoniu-Oreste Gostian hat ihm ein Cochlea Implantat, kurz CI, eingesetzt. Zunächst auf einem Ohr. Ion Pahomi ist nahezu taub, von frühester Kindheit an, aufgrund eines Medikamentenschadens.

Seine Mutter hat sich immer gewünscht, dass der junge Mann, der künstlerisch begabt ist, eine Perspektive erhält. Und die hieß vor allem hören. Die Mutter ist „überglücklich“, denn Ion hat jetzt diese ersehnte Perspektive. Dafür ist sie mit der Familie von Moldawien nach Deutschland übersiedelt. Seit eineinhalb Jahren leben sie in Viechtach. Ein dortiger HNO-Arzt hat sie ans Klinikum überwiesen. Ion gehört zu den ersten zehn Patienten, die Gostian in Straubing mit einem CI versorgt hat.Ihr Sohn sei anfangs skeptisch gewesen, erzählt die Mutter. Ja, er habe panisch Angst gehabt. Er hatte sich, so der Eindruck des Teams, mit Gebärdensprache in seinem Umfeld gut arrangiert. Er ließ sich überzeugen.

Nachdem das Implantat wenige Wochen nach der OP erstmals eingeschaltet und individuell immer präziser eingestellt wird, habe seine Begeisterung keine Grenzen mehr gekannt, sagt die Mutter und Ion nickt zustimmend. „Er hat sich atmen gehört. Er hat die Lkws an unserem Auto vorbeirauschen gehört, ja sogar das Rascheln des Toilettenpapiers ist eine neue Erfahrung gewesen. Auch das Besteckklappern beim Tischdecken, im Topf sprudelndes Wasser. Eine andere Welt“, erzählt sie mit leuchtenden Augen. Das habe ihr Sohn bisher nie bewusst wahrgenommen.

Er hatte in ihrer früheren Heimat eine Schule für Kinder mit Hörbehinderung besucht und sei auch mit Hörgeräten ausgestattet gewesen. Das sei aber wenig effektiv gewesen. „Kein Vergleich.“ Jetzt übe Ion fleißig. Er habe Ehrgeiz entwickelt, sagt die Mutter, beflügelt von diesen Erfahrungen. Im April oder Mai soll die Versorgung des zweiten Ohres folgen. Ions Ziel: Einen Sprachkurs absolvieren und einen Beruf erlernen. Design ist seine favorisierte Richtung. Vorher muss Ion Pahomi aber hören lernen. Denn der Höreindruck mittels CI ist mit dem normalhörender Menschen nicht vergleichbar. Das Gehirn muss erst einmal mit dem Höreindruck eine Bedeutung verbinden. Das geschieht in einem bis zu zweijährigen Reha-Prozess. 

Info
Nicht nur um das neue Angebot bekanntzumachen, veranstaltet die HNO-Klinik des Klinikums am Samstag, 2. März, von 9 bis 13 Uhr, im Foyer des Klinikums den ersten Niederbayerischen Hörtag. Gostian konnte OB Markus Pannermayr als Schirmherrn gewinnen. Die Besucher erwarten Informationsmöglichkeiten in Kontakt mit Selbsthilfegruppen, CI-Herstellern, CI-Trägern, Hörakustikern, Klinikums-Mitarbeiter. Es gibt allgemeinverständliche Vorträge rund um das Thema Hören, von Cochlea-Versorgung bis moderner Hörgerätetechnik, Hörmedizin, Schwerhörigenberatung und Fördermöglichkeiten für Kinder mit Hörbeeinträchtigungen. Alle Vorträge werden von einem Schriftdolmetscher in Schriftform übertragen. Natürlich kann man das individuelle Gespräch mit dem Team der HNO-Klinik suchen. Der Eintritt ist frei.

Quelle: Monika Schneider-Stranninger, Straubinger Tagblatt vom 20.01.2024