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"Die Anspannung ist hoch"

(07.01.2021)

Nur ein paar alltägliche Nachrichten: Kliniken in Finanznot. Pflegekräfte auf Intensivstationen am Limit. Landtags-CSU schlägt einmaligen Pflegebonus vor. Nachgefragt: Wie sieht man das vor Ort?

Dienstag. Nachrichten im Morgenmagazin von ARD und ZDF. Corona ist Thema. Natürlich. Krankenhäuser befürchten den finanziellen Kollaps. Das Personal von Intensivstationen ist am Limit. Und die CSU-Landtagsfraktion hat festgestellt, dass Pflegekräftemangel herrscht und schlägt einen 5000-Euro-Bonus vor, wenn eben ausgelernte Pflegekräfte überhaupt ihren Beruf ausüben. Und dann noch: Medizinisches Personal sei überaus corona-impfskeptisch. Ziemlich viel auf einmal. Und Grund genug, nachzufragen, wie das vor Ort gesehen wird. Dr. Hannes Häuser, Chefarzt der Radiologie am Klinikum und Ärztlicher Direktor, sowie Pflegedirektor Franz-Xaver Knott antworteten. 

Es hieß in den Nachrichten, viele Krankenhäuser befürchteten ihren finanziellen Kollaps aufgrund von Coronakrise und ausgefallenen anderweitigen Behandlungen. Die Lage soll zum Teil existenzbedrohend sein. Wie ist es in Straubing? Dr. Hannes Häuser: „Am Klinikum ist aufgrund der grundsoliden Wirtschaftsplanung der vergangenen Jahre trotz der hohen Eigeninvestitionen keine Existenzbedrohung zu befürchten. Natürlich liegen erhebliche und noch nicht – trotz politischer Versprechungen – gegenfinanzierte Mehrausgaben und Mindereinnahmen vor, die derzeit noch gar nicht ausreichend zu bilanzieren sind. Grundsätzlich müssen avisierte Finanzmittel tatsächlich auch fließen. Krankenhäuser, die sich bereits vor der Pandemie in finanziellen Schieflagen befanden, sind gefährdeter. Es ist hier keine pauschale Beurteilung möglich und es liegt ein großes Ungleichverteilungsproblem in der Kliniklandschaft vor. Es gibt auch „Kriegsgewinnler“, Kliniken, die überhaupt nicht an der Covid- oder Akutversorgung beteiligt sind, aber Hilfen beanspruchen. Für uns kann ich sagen, es wird weiterhin – wie bisher – auf höchstem Niveau in Straubing Klinikmedizin angeboten werden und die Versorgung garantiert. Der Neubau ist nicht in Gefahr. Die insgesamt auch im Vergleich zu den Krankenhäusern in Bayern sehr hohe Auslastung des Klinikums wird sich nach der Pandemie gleichermaßen fortsetzen.“ 

Prof. Dr. Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), hat seine Befürchtung geäußert, das Pflegepersonal auf Intensivstationen stehe vielfach vor dem Zusammenbruch aufgrund der seit Monaten anhaltenden Belastung der Coronakrise. Wie sieht man das am Klinikum? Franz-Xaver Knott: „Ich bin Prof. Janssens für seine klaren Worte zur Lage der Intensivmedizin und -pflege sehr dankbar. Politiker sprechen meist nur von freien Intensivkapazitäten, als wäre es mit freien Betten getan. Die Behandlung ist personal- und kostenintensiv. Für einen Coronapatienten auf der Intensivstation ist man schnell bei einem sechsstelligen Betrag. Vom großen menschlichen Leid ganz abgesehen. Für die Mitarbeiter ist es eine große emotionale Belastung, die vielen Schicksale und auch immer wieder Patienten an Covid-19 sterben zu sehen. Wenn neun Betten auf der Intensivstation mit Coronapatienten belegt sind, spricht das eine deutliche Sprache über das Ausmaß auch bei uns. Und wir haben ja noch die anderen Patienten, die als „ganz normale“ lebensbedrohliche Notfälle zu uns kommen, Die Pflege geht nicht in die Knie. Wir versuchen, hochprofessionell mit dieser Lage umzugehen. Wir wollen allen mit qualitativ hochwertiger Versorgung gerecht werden. Wir wollen eines nicht, nämlich in den Katastrophenmodus umschwenken zu müssen. Das bedeutet für die Mitarbeiter eine große Anspannung. Noch immer ist die Bereitschaft bei den Kollegen hoch, selbst bei kurzfristigen Ausfällen einzuspringen. Das gibt mir Hoffnung, dass wir das alles schaffen. Aber es ist eine Riesenherausforderung. Trotz Weihnachtszeit und Reduzierung planbarer Behandlungen sind wir in Voll-Last, in der Notaufnahme, Intensivstation und zwei Covid-Stationen.“ 
Ebenfalls Nachrichtenthema war, dass die CSU-Landtagsfraktion vorschlägt, Pflegekräften nach Ausbildungsabschluss einen einmaligen Bonus von 5000 Euro zu zahlen, wenn sie ihren Beruf ausüben. Was sagen Sie aus Ihrer Warte dazu? Franz-Xaver Knott: „Wir wollen, dass die Tarifvereinbarungen zu 100 Prozent bei den Mitarbeitern ankommen. Das ist dauerhafte Wertschätzung. Deshalb nutzen wir alles, was der Tarif hergibt. Vom Ausbildungskurs, der heuer fertig wurde, haben wir 20 Pflegekräfte übernommen. Wir haben keine Deckelung bei der Einstellung von Pflegekräften und schon für Herbst 2021 Vormerkungen. Es geht um unbefristete Arbeitsverträge. Es tut unseren Mitarbeitern gut zu sehen, dass Kollegen nachkommen. Die 5000 Euro Bonus mögen für junge Leute verlockend sein, aber die Nachhaltigkeit fehlt. Im Prinzip ist das doch ein Zeichen von Hilflosigkeit der Politik. Manche Bereiche sind vielleicht allzu großzügig bedacht worden in dieser Krise, die Pflege jedenfalls nicht. Aber am Geld allein liegt es nicht.“ 

In den Nachrichten wurde ebenfalls thematisiert, dass medizinisches Personal impfmüde sei. Dr. Hannes Häuser: „Impfmüdigkeit bei Ärzten kann ich nicht bestätigen. In hausinternen Umfragen gehen wir aktuell von mindestens etwa 60 Prozent Impfquote der Mitarbeiter im Gesamten aus.“ Franz-Xaver Knott : „Vor vier Wochen hatte ich noch einen anderen Eindruck, da gab es doch eine Reihe kritischer Stimmen, aber jetzt, wo der Impfstart da ist, hat sich das gewandelt. Es ist große Bereitschaft da. Ich selber werde mich impfen lassen, sobald ich an der Reihe bin. Wichtig ist, dass diejenigen, die „an der Front sind“, bevorzugt geimpft werden. Unser hauseigenes Ethikkomitee empfiehlt die Impfung unisono. Es ist ein guter Weg, dass in Altenheimen zuerst geimpft wird. Ich hoffe, dass die Impfung der Bevölkerung nicht das ganze Jahr in Anspruch nimmt.“

Quelle: Monika Schneider-Stranninger, Straubinger Tagblatt, 31.12.2020