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Versorgung Schwerverletzter trainieren
Als Überregionales Traumazentrum ist das Klinikum Straubing immer, Tag und Nacht, aufnahmebereit für Schwerverletzte. „In der Regel versorgen wir etwa 300 Verkehrsunfälle pro Jahr, rund 150 davon sind lebensbedrohlich verletzt – sogenannte Polytraumen“, sagt Dr. Robert van Arkel, Leiter Organisationsentwicklung und Patientensicherheit im Krankenhausverbund Barmherzigen Brüder Bayern. Die Versorgung Schwerverletzter, die in Lebensgefahr schweben, stellt für das wechselnd besetzte Team im Schockraum eine große Herausforderung dar. Dr. van Arkel erklärt, wie das Klinikum Straubing seine Mitarbeiter darauf vorbereitet, um eine optimale Versorgung und maximale Sicherheit zu erreichen.
Warum ist ein Simulationstraining zur Versorgung von Schwerverletzten so wichtig?
Dr. van Arkel: Wenn der Patient schwer verletzt vom Unfallort zu uns gebracht wird, dann ist das volle Ausmaß der Verletzungen noch nicht bekannt. Der Patient schwebt in Lebensgefahr, jetzt muss schnell gehandelt und entschieden werden. Ein interdisziplinäres Team von sieben bis neun Personen arbeitet unter hohem Zeitdruck zusammen. Binnen weniger Minuten sind erste Maßnahmen zu treffen, um das Leben des Verletzten zu retten. Um solche Situationen gut zu meistern, muss man trainieren, anders geht das nicht. In der Luftfahrt sind solche Trainings seit Jahren absolute Pflicht, sonst dürfen die Piloten nicht mehr fliegen.
Wie hat man sich so ein Simulationstraining im Schockraum vorzustellen? Gibt es dafür ein Konzept?
Dr. van Arkel: Vor Jahren schon haben wir ein umfangreiches Konzept entwickelt, wie solche Schwerverletzten zu versorgen sind. Dieses Konzept wurde auch mittels nachgestellter Fälle auf Herz und Nieren geprüft, ob es auch schwierigsten Situationen gerecht wird. Das ist in dieser Form sicher einmalig. Wenn wir trainieren, dann wird eine hochtechnisierte Puppe, die den Patienten darstellen soll, in den Schockraum gebracht. Alle Abläufe sind dann wie in der Wirklichkeit. Es erfolgt eine Übergabe durch den Notarzt, das Team fängt dann an zu arbeiten, alle Körperfunktionen werden rasch überprüft, Zugänge gelegt und der „Patient“ stabilisiert. Lebensbedrohliche Verletzungen müssen sofort erkannt und behandelt werden. Es ist ein Rennen gegen die Zeit. Ziel ist es auch, in kürzester Zeit so weit zu sein, dass man zur Ganzkörperdiagnostik eine Computertomographie (CT) machen kann. Erst hier wird das volle Ausmaß der Verletzungen sichtbar.
Welche Szenarien werden trainiert? Welche Fähigkeiten sind von Bedeutung?
Dr. van Arkel: Prinzipiell werden alle Szenarien trainiert, die potentiell als Notfall in unserem Schockraum versorgt werden können. Es könnte zum Beispiel ein Verkehrsunfall sein: Ein Motorradfahrer prallt frontal in ein entgegenkommendes Auto. Er ist bewusstlos, vom Notarzt schon intubiert und beatmet, der Kreislauf ist nicht stabil zu kriegen, er hat vielleicht innere Blutungen, vielleicht auch eine schwere Schädel-Hirn-Verletzung. Die Beatmung ist schwierig, die Lunge könnte verletzt sein. Beckenverletzungen können bluten und müssen notfallmäßig versorgt werden. Hier ist die rasche und sichere Vorgehensweise, eine klare und konzentrierte Kommunikation im Team der Schlüssel zum Erfolg. Die Aufgaben sind klar geregelt, die Zusammenarbeit muss Hand in Hand gehen.
Was ist Ihre Rolle bei den Simulationstrainings?
Dr. van Arkel: Meine Aufgabe als „Leiter Organisationsentwicklung und Patientensicherheit“ ist es, die Trainings zu organisieren und zu koordinieren. Es ist die modernste Form des Lernens in Bezug auf so anspruchsvolle Situationen für große Teams. Sicherheit in komplexen Systemen wird vor allem durch strukturierte Teamarbeit und sichere Kommunikation gewährleistet. Da hilft nur trainieren. Meines Erachtens haben wir als Klinik hier ein riesiges Alleinstellungsmerkmal. Wir sind bereit, viel Zeit und Geld in die Hand zu nehmen, um die bestmögliche Versorgung unserer Patienten zu gewährleisten. Außerdem bin ich Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin und nehme in dieser Funktion auch selbst am Training teil.
Wer führt die Trainings durch?
Dr. van Arkel: Wir engagieren hier seit Jahren externe Profis, die darauf spezialisiert sind, Szenarien zu planen, durchzuführen und professionell nachzubearbeiten, die Übung haben und unabhängig Rückmeldungen geben können. Ein Team trainiert den ganzen Tag von früh bis spät mit immer schwieriger werdenden Szenarien. So trainieren wir dieses Jahr insgesamt drei volle Wochen, bis wir etwa 150 Mitarbeiter aus allen beteiligten Fachrichtungen im Training hatten. Nach so einem intensiven Block folgen dann wieder Jahre, in denen wir zur Aufrechterhaltung des Niveaus zwei Mal zwei Tage im Jahr trainieren.
Wie ist die Resonanz der Teilnehmer auf das Training?
Dr. van Arkel: Die Teilnehmer sind begeistert. Die Rückmeldungen zeigen, wie wertvoll diese Trainings sind und welchen Mehrwert sie generieren. Sie werden von den Mitarbeitern regelrecht eingefordert. Als wir coronabedingt die vergangenen zwei Jahre weniger trainiert hatten, kamen viele Anfragen, wann es denn wieder weiter geht.
Gibt es auch noch andere Bereiche, die Sie auf diese Weise trainieren?
Dr. van Arkel: Ja, absolut. Wir führen seit einiger Zeit Simulationstrainings zur Versorgung von Neugeborenen-Notfällen durch. Auch zur Bewältigung von anästhesiologischen Notfällen, von geburtshilflichen Notfällen und auch in der Endoskopie. Wir versuchen hier ein Maximum an Sicherheit durch Training zu erreichen und sehen dadurch gute Ergebnisse in der Versorgung von Notfällen. -urs-