Zentrum für Schilddrüsenchirurgie
Überfunktion der Nebenschilddrüsen
Bei der Überfunktion der Nebenschilddrüsen (Hyperparathyreoidismus) ist der Hormonspiegel des Parathormon und in der Regel der Kalziumspiegel im Blut erhöht. Das Parathormon sorgt für eine Entmineralisierung der Knochen, d.h. zur Erhöhung des Kalziumspiegels im Blut wird Kalzium aus den Knochen gelöst. Dieses Kalzium wird wiederum in verschiedenen Gewebesorten im Körper mit erheblichen nachteiligen Effekten abgelagert. Dabei können schmerzhafte Kalkablagerungen in den Muskeln und Sehnen sowie eine vermehrte Bildung von Nieren- und Gallensteinen beobachtet werden. Zudem führt die Entmineralisierung der Knochen zu Deformierungen und Knochenbrüchen.
Die Diagnose einer Funktionsstörung der Nebenschilddrüsen wird neben der eingehenden Befragung des Patienten rasch und unkompliziert durch eine Analyse der Blutwerte, die Ultraschalluntersuchung und wenn nötig durch eine spezielle Szintigraphie gestellt.
Formen der Überfunktion der Nebenschilddrüsen
Mit Hilfe dieser Untersuchungsmethoden gelingt es auch, die verschiedenen Formen des Hyperparathyreoidismus (Überfunktion der Nebenschilddrüsen) zu unterschieden:
Primärer Hyperparathyreoidismus (pHPT)
Bei dieser Form liegt die Ursache der Hormonüberproduktion ausschließlich in den Nebenschilddrüsen selbst. Zumeist liegt ein einzelnes, selten zwei Nebenschilddrüsenadenome (gutartiges Drüsengewächs) vor. Dieses Drüsengewebe richtet sich nicht mehr nah den körperinternen Steuermechanismen. Ein Krebs der Nebenschilddrüse ist extrem selten.
Sekundärer Hyperparathyreoidismus (sHPT)
Hier liegt die Ursache der Parathormonüberproduktion nicht in den Nebenschildrüsen selbst. Sehr häufig liegt eine Nierenerkrankung vor, bei der es zu einer verminderten Produktion von Vitamin D kommt. Dis führt zu einer verminderten Kalziumaufnahme in den Körper und damit zu einem Absinken des Kalziumspiegels im Blut, was aber nur in sehr engen Grenzen vom Körper toleriert wird. Sämtliche Nebenschilddrüsen (in der Regel 4, aber auch >4 sind möglich) steigern ihre Prathormonbildung, da dies Hormon den Kalziumspiegel im Blut wieder anheben kann (auf Kosten des Knochen-kalziums). Demnach sind alle Nebenschilddrüsen vergrößert, wir sprechen auch von einer so genannten 4-Drüsen-Erkrankung.
Tertiärer Hyperparathyroidismus (sHPT)
Lang anhaltend stimulierte Nebenschilddrüsen produzieren beim sHPT auch dann noch Parathormon, wenn der Kalziumspiegel im Normalbereich liegt. Der tertiäre Hyperparathyreoidismus kann ein Folgezustand nach langem Krankheitsverlauf eines sekundären Hyperparathyreoidismus darstellen.
Wann und wie müssen die Nebenschilddrüsen operiert werden?
Erkrankung nur einer Nebenschilddrüse
Beim sogenannten primären Hyperparathyreoidismus ist in über 90% der Fälle nur eine einzelne Drüse betroffen. Man spricht in diesen Fällen auch von einem solitären Nebenschilddrüsenadenom. Nur die krankhafte Drüse muss entfernt werden. In weniger als 10% der Fälle sind jedoch auch bei dieser Erkrankung mehrere Nebenschilddrüsen besonders aktiv. Demnach unterscheiden sich die operativen Behandlungskonzepte (siehe unten).
Bei bekannter, genauer Lokalisation des Nebenschildrüsenadenoms kann dies auch minimal invasiv, d.h. mit einem ganz kleinen Schnitt direkt über der vergrößerten Drüse entfernt werden (MIVAP= minimal invasive video-assistierte Parathyreoidektomie). Damit ist alles krankhafte Drüsengewebe entfernt. Wir sprechen auch von einer biochemischen (Parathormonspiegel und Kalziumwerte postoperativ im Blut normal) Heilung.
Zur optimalen Sicht durch den kleinen Schnitt verwenden wir eine hochauflösende 5mm breite Optik, die zudem eine Lichtquelle enthält und zugleich das Operationsgebiet ausleuchtet. Der Operateur kann entweder auf einen hochauflösenden Monitor oder direkt über den Hautschnitt ins Operationsgebiet schauen. Diese Methode liefert deutlich verbesserte kosmetische Ergebnisse.
Erkrankung mehrerer oder aller Nebenschilddrüsen
Beim sogenannten sekundären und tertiären Hyperparathyreoidismus sind in den allermeisten Fällen alle Nebenschilddrüsen erkrankt. Bei weniger als 10% der Patienten mit einem primären Hyperparathyreoidismus sind jedoch auch alle 4 Nebenschilddrüsen an der Überproduktion von Parathormon beteiligt.
Bei der 4-Drüsenerkrankung muss eine doppelseitige Begutachtung der Nebenschilddrüsen erfolgen, d.h. vergrößerte Nebenschilddrüsen müssen auf der rechten wie auf der linken Halsseite aufgesucht werden. Ein minimal invasiver Ansatz erscheint durch die beidseitige Operationspflicht derzeit als nicht sinnvoll. Der Zugang zu den Nebenschilddrüsen erfolgt über einen kleinen (ca. 4-4,5cm) mittigen, waagerechten Halsschnitt. Anders als bei der Schilddrüsenchirurgie darf nicht alles Nebenschilddrüsengewebe entfernt werden, da es noch keine prktikablen Ersatzhormonstoffe für das Parathormon gibt.
In diesen Fällen wird man eine inkomplette Entfernung des erkrankten Drüsengewebes anstreben. Dazu werden ca. 7/8 der Nebenschilddrüsen von beiden Seiten entfernt. Demnach wird eine halbe Nebenschilddrüse zur Aufrechterhaltung des Hormonspiegels belassen.
Alternativ kann man alle Drüsen entfernen und einen kleinen Teil des Gewebes in den Unterarmmuskel implantieren. Die Hormonproduktion wird dann nach Wochen bis Monaten dort wieder aufgenommen.
Wichtig bei beiden Verfahren ist die intraoperative Qualitätskontrolle der Operation mit Bestimmung des Parathormons im Blut. Da einmal gebildetes Parathormon im Körper nur wenige Minuten zirkuliert und danach wieder zerfällt, bieten sich sequentielle (reihenweise) Blutuntersuchungen mit Bestimmung des Parathormonspiegels an. Dabei wird der Parathormonspiegel im Blut nach fast kompletter Entfernung aller erkrankten Drüsen kontrolliert. Der rasche Abfall der Werte und das Erreichen eines Minimalwertes zeigt den Erfolg der Operation an (sogenannte biochemische Heilung).