Klinik für Orthopädie, Unfall- und Handchirurgie
Hüftreifestörung bei Säuglingen
Eine verzögerte oder gestörte Verknöcherung des Hüftpfannen-Erkers nennt man Hüftdysplasie. Es kann aber auch selten eine angeborene Hüftverrenkung (Hüftluxation) vorliegen. Es ist die häufigste angeborene Skelettfehlentwicklung (2 bis 5 Prozent). Mädchen sind häufiger betroffen, regional jedoch sehr unterschiedlich. In circa 40 Prozent der Fälle tritt diese Art der Hüftreifungsstörung beidseits auf.
Es gibt eine primäre (endogene) Dysplasie mit einer primär verzögerten Wachstums-geschwindigkeit und eine häufigere, sekundäre (exogene) Dysplasie, bei der es durch mechanische Störfaktoren vor (zum Beispiel Beckenendlage) oder nach der Geburt zu einer Dysplasie kommen kann. Zusätzlich gibt es noch weitere Sonderformen.
Symptome
Bei nur leichten Reifungsstörungen in den ersten Tagen und Wochen sind diese äußerlich nicht zu erkennen. Bei einseitiger Verrenkung (Luxation) zeigt sich eine Beinverkürzung. Bei einer beidseitigen Verrenkung besteht oft eine Schwäche der Hüftgelenksstrecker und es kommt zu einer Fehlstellung der Hüftgelenke in Beugehaltung (sogenannte Beugekontraktur der Hüftgelenke) in den ersten Lebensjahren mit einer Beckenverkippung zum Bauch hin und einer kompensatorischen verstärkten Krümmung der Lendenwirbelsäule mit zum Beispiel frühem Beginn von Rückenschmerzen.
Diagnostik
Die alleinige klinische Untersuchung reicht zum Erkennen von Hüftreifungsstörungen nicht aus! Standarduntersuchung ist die inzwischen bei jedem Neugeborenen, spätestens zur U3, vorgeschriebene Hüftsonographie nach Prof. Graf. Röntgen im ersten Lebensjahr ist wegen noch fehlender Verknöcherung der Säuglingshüfte nicht sinnvoll. Diese Untersuchungsmethode ist nur in Ausnahmefällen, bei operativen Eingriffen, nötig.
Behandlungsmöglichkeiten
Die Phase der Formdifferenzierung innerhalb der ersten drei Lebensmonate muss für die Behandlung genutzt werden (rasche Verknöcherung). Das Ziel ist eine gute Überdachung des Hüftkopfes durch die Gelenkpfanne (gutes Containment).
In der ersten Repositionsphase muss der herausgerutschte Hüftgelenkskopf wieder in die richtige Stellung gebracht werden. Dazu werden die verrenkten (dezentrierten) Gelenke geschlossen oder operativ eingerenkt (zum Beispiel auch sogenannte „Overhead-Extension).
In der folgenden Retentionsphase muss der Hüftkopf sicher in der Pfanne zentriert und gehalten werden. Eine Pfannendach entlastende Stellung ist die Sitz-Hock-Position (Fettweis-Stellung). Je nach Pfannendachdeformität dauert die Behandlung mehrere Wochen: Entweder durch sogenannte Retentionsbandagen (Spreizhose, nach Mittelmeier-Graf; Tübinger Schiene; Pavlik-Bandage) oder durch einen sogenannten Fettweis-Gips bei allen instabilen Gelenken ab der Geburt.
In der Nachreifungsphase wird eine erneute Deformierung vermieden durch Retentionsbandagen bis maximal zum Abschluss des 2. Lebensjahres.
Bei verspäteter Diagnosestellung (6 Monate oder älter) oder gescheiterten konservativen Maßnahmen kann auch eine operative Therapie nötig sein, um den herausgerutschten Hüftgelenkskopf wieder in die normale Stellung zu bringen.
Je früher die Diagnostik und eine entsprechende Therapie einsetzen, desto höher sind die Chancen einer anatomischen Heilung und Reifung der Hüftgelenke. Die sekundäre Dysplasie heilt bei richtiger Therapie ohne Folgen aus.