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„Wir sitzen im Bauch des Patienten“

(27.11.2024)

Experten für roboterassistierte Urologie aus ganz Europa tagten in Straubing. Im Gespräch erklärt Privatdozent Dr. Christian Gilfrich Vor- und Nachteile solcher Eingriffe

Für 400 Urologen aus dem deutschsprachigen Raum, sowie Belgien und den Niederlanden war Straubing für zwei Tage das Zentrum des Geschehens: In der Joseph-von-Fraunhofer-Halle fand das 14. Symposium der Deutschen Gesellschaft für Roboterassistierte Urologie (DRUS) unter dem Motto „Shaping the Future“ statt. Hochkarätige Experten präsentierten aktuelle Technologien und innovative Entwicklungen.

Wir sprachen mit dem Tagungspräsidenten, Privatdozent Dr. Christian Gilfrich vom Klinikum St. Elisabeth, über die Schwerpunkte des Symposiums, sowie Vorteile und Perspektiven von Operationen mit robotergestützten Systemen, bei denen die Ärzte minimalinvasiv – also „durchs Schlüsselloch“ – mithilfe von modernsten Präzisionsinstrumenten und hochempfindlichen optischen Geräten arbeiten.

Herr Dr. Gilfrich, bei welchen Operationen oder Krankheitsbildern werden robotergestützte Systeme eingesetzt? 

Gilfrich: Mittlerweile bei relativ vielen Eingriffen. Angefangen hat es 2001 mit der Prostatakrebsoperation, bei der die robotergestützte Methode erstmals erfolgreich angewendet wurde. Anfangs waren es hauptsächlich die Urologen, jetzt wird sie aber immer mehr auch in der Chirurgie und der Gynäkologie, also allen operativen Fächern angewendet. 

Können Sie Beispiele nennen?

Gilfrich: Wenn wir zum Beispiel die Blase entfernen und eine neue Blase aus dem Darm bilden müssen. Man kann es sich vorstellen, wie einen Fußball, den man zusammennähen muss. Da ist der Roboter eine gute Unterstützung. Oder wenn wir einen Tumor an der Niere entfernen müssen und das Organ erhalten wollen, auch da sind viele Nähte erforderlich.

Sind die Patienten manchmal skeptisch, wenn sie erfahren, dass bei der OP ein Roboter eingesetzt wird? 

Gilfrich: Es ist mittlerweile so, dass die Patienten sich schon vorher informiert haben und das sogar einfordern. Früher gab es schon manchmal Skepsis. Aber letztendlich ist es kein Roboter, es ist eine Telemanipulation. Der Operateur ist komplett für die Operation verantwortlich, das heißt, wenn es schiefläuft, kann man nicht die Schuld auf den Roboter schieben. Man schafft mit der Unterstützung durch die Systeme aber optimale Bedingungen. 

Was sind die Vorteile? 

Gilfrich: Wir können gut nähen, viel sehen und sehr feine, exakte Arbeiten machen. Die Sicht ist dreidimensional, wir sitzen quasi im Bauch des Patienten. Die Instrumente sind sehr klein, bewegen sich aber genauso wie meine Hand und damit habe ich in engen Räumen viel Platz. Mit der Optik können wir heranzoomen, bis wir fast direkten Gewebekontakt haben. Aber man muss es natürlich auch können. Es ist genauso Übungssache und es gibt keine Garantie, dass alles besser wird, aber es ist eine Hilfe. Auch der Blutverlust ist geringer, der stationäre Aufenthalt kürzer, ebenso der Schmerzmittelbedarf. Aber das ist eher die Folge der minimalinvasiven Technik. 

Sie haben Ihre erste robotergestützte OP 2004 durchgeführt. Was hat sich seither verändert?

Gilfrich: Es hat sich ganz grob gesagt, nicht so viel verändert. Es haben sich Feinheiten entwickelt, es sind mehr Instrumente hinzugekommen, die Optiken haben sich weiterentwickelt. Aber vom Prinzip ist es dieselbe Operation. Es gibt ein neues System, das in Europa noch nicht zugelassen ist, das auch ein taktiles Feedback ermöglicht, also dass der Operateur das Gewebe fühlen kann.

Was waren die Schwerpunkte des Symposiums?

Gilfrich: Ganz klar die Live-Operationen mit drei parallel laufenden Übertragungen. Dadurch, dass die Sicht so gut ist, konnte man jeden Schritt sehr gut verfolgen, Fragen stellen und sehr viel lernen, etwa: Warum macht er diesen Stich, warum nimmt er dieses Nahtmaterial? Es gab auch ein Rahmenprogramm für jüngere Assistenten, wo die Operationen Schritt für Schritt erklärt wurden und Workshops, bei denen die jungen Kollegen anhand von Modellen operieren und Simulatoren verwenden konnten.

Gab es ein besonderes Highlight? 

Gilfrich: Das war für mich die Teilnahme eines der weltweiten Experten für robotische Chirurgie, Prof. Alex Mottrie aus Aalst in Belgien. Das ist für mich schon etwas Besonderes, dass er nach Straubing gekommen ist. 

Welche Rolle wird das Thema am künftigen Medizincampus Niederbayern spielen?

Gilfrich: Ein Aspekt dort wird ja sein, besonders praxisnah zu lehren. Da bieten Simulatoren und praktische Übungen eine gute Ergänzung zur theoretischen Ausbildung. Das macht auch das Studium spannender.

Welche Perspektiven gibt es auf dem Gebiet der roboterassistierten Urologie, welche Rolle wird etwa die Künstliche Intelligenz spielen?

Gilfrich: Ich denke, insbesondere in der Bildgebung werden wir die KI vermehrt haben. Für uns wäre es gut, wenn wir pathologische Auswertung, also die Untersuchung auf krankhafte Veränderungen, direkt schon während der Operation erfahren würden. Die Navigation wird sich noch weiterentwickeln, indem wir mithilfe der Röntgenbildgebung die Operation steuern. Wir könnten dann sehen, wie die Strukturen unter der Oberfläche sind. Und es geht jetzt schon auch in Richtung Gewebeerkennung, das heißt, dass Blut- und Nervengefäße besonders dargestellt und geschont werden können. 

Interview: Eva Bernheim, Straubinger Tagblatt vom 25.11.2024

Klinik für Urologie

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