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„Wir kennen das Virus jetzt besser“

(14.11.2020)

Geschäftsführer Dr. Christoph Scheu erklärt, wie sich die zweite Corona-Welle bisher auf Patienten, Bettenbelegung und Personal im Klinikum St. Elisabeth auswirkt.

Kaum Schutzkleidung, Besuchsverbote und Menschen, die ohne Angehörige sterben – so war die Situation während der ersten Corona-Welle im Frühjahr. Inzwischen hat sich vieles zum Besseren verändert, sagt Klinikum-Geschäftsführer Dr. Christoph Scheu.

Wie ist die Situation bei Corona-Patienten im Klinikum?

Laut Dr. Scheu gibt es drei bedeutende Unterschiede zwischen der ersten Corona-Welle im Frühjahr und der zweiten im Herbst. So kommen bis jetzt kaum Patienten aus Altenheimen ins Klinikum. Diese verfügten inzwischen über gute Hygienekonzepte und eine gute Ausstattung mit Schutzmaterial. Insbesondere den Mund-Nasen-Schutz nennt Scheu als wichtigste Maßnahme gegen eine Ansteckung mit SARS-CoV-2. Denn die Krankheit werde nicht über Schmierinfektionen übertragen, sondern über Aerosole. Bei den Corona-Patienten der zweiten Welle handelt es sich laut Scheu um Personen mittleren Alters bis hin zu älteren Leuten.

Zweiter wichtiger Unterschied: „Wir kennen das Virus besser“, sagt Scheu. Viele Patienten entwickelten kaum oder gar keine Symptome. Bei der Behandlung Erkrankter gebe es zwar noch keinen Durchbruch, doch deutliche Verbesserungen. Scheu nennt hier den Einsatz von Cortison und des Anti-Virus-Mittels Remdesivir, aber auch die vorbeugende Behandlung von Thrombosen, die noch in der ersten Welle zu „fulminanten Lungenembolien“ mit hohen Todesraten führten. Dritter Unterschied: Während es noch im März und April einen explosionsartigen Zuwachs an Fällen gab, steigen jetzt die Zahlen gleichmäßiger an. Seit einer Woche mache sich der Lockdown light bereits bemerkbar, sagt Scheu, weil es keinen größeren Anstieg der Fallzahlen und auch der Patientenzahlen mehr gibt. So kann auch das Klinikum zumindest etwas entspannter auf die Corona-Entwicklung schauen.

Sind ausreichend Betten für Covid-19-Patienten vorhanden?

Für die kommenden Tage soll das Klinikum 20 stationäre Betten sowie fünf Intensiv-Betten vorhalten. Das hat der jüngst zum Krankenhauskoordinator ernannte Oberarzt Christian Ernst auf Grundlage der Infiziertenzahlen und anderer Parameter als Bedarf errechnet. Die Bettenzahl reicht im Moment also aus: Am Dienstag wurden 14 Patienten auf der Covid-Station versorgt, am Mittwoch waren es zehn, am Donnerstag und Freitag elf. An allen Tagen lagen jeweils drei Personen auf der Intensivstation, am Freitag vier.Insgesamt verfügt das Klinikum über 450 Betten am Standort Straubing, davon 20 Intensiv-Betten, plus 25 Geriatrie-Betten in der Kreisklinik Bogen. Für Covid-Patienten wurde eine eigene Station eingerichtet: Wo normalerweise 44 Patienten betreut werden können, ist jetzt Platz für bis zu 20 Covid-Infizierte. Aufgrund der intensiven Pflege, die sie benötigen, belegen sie Einzelzimmer. Eine finanzielle Herausforderung für das Klinikum, zumal inzwischen auch keine Gelder mehr für Betten fließen, die für Corona-Patienten freigehalten werden müssen – auch das ist anders als während der ersten Welle.

Wie sieht es mit der Versorgung anderer Patienten aus?

Seit vergangener Woche sei zwar das OP-Programm etwas reduziert worden, sagt Scheu, doch bislang mussten noch keine Behandlungen und Operationen verschoben werden. Auffällig ist, dass im Klinikum etwas weniger Patienten behandelt werden als es für einen November üblich ist. Das sei normalerweise der Monat mit den meisten Patienten. Über die Ursachen lässt sich nur spekulieren: Haben die Menschen Angst, sich im Krankenhaus mit Corona zu infizieren? Eine Angst, die psychologisch nachvollziehbar sei, sagt Scheu. Doch er verweist auch darauf, dass sich die Hauptinfektionsquellen derzeit im privaten Umfeld befänden. Das Personal sei mit hochwertigen Masken ausgestattet, das sorge für hohe Sicherheit.Droht eine Grippewelle? Eher nicht, meint Scheu und verweist auf die Erfahrungen aus dem australischen Winter, wo kaum Grippefälle auftraten – quasi eine Nebenwirkung der Corona-Schutzmaßnahmen.

Wie ist die Situation beim Klinik-Personal?

Das Klinikum beschäftigt rund 1800 Mitarbeiter. Anders als im Frühjahr gebe es derzeit nur einzelne Corona-Erkrankungen beim Personal, stellt Scheu erleichtert fest. „Alle sind sehr vorsichtig“, betont er und verweist darauf, wie wichtig dabei auch der Mund-Nasen-Schutz und die hochwertigen Masken im Klinikumsbereich sind. Aus Sicherheitsgründen werde Personal, das Covid-Patienten pflege, auf keinen anderen Stationen eingesetzt. Engpässe bei Schutzmaterial gibt es nicht mehr – auch das ist ein Unterschied zur ersten Corona-Welle und eine große Erleichterung bei der täglichen Arbeit, betont Scheu.

Wie werden Mitarbeiter und Patienten getestet?

Die Mitarbeiter würden getestet, allerdings nicht ständig. Aber auf jeden Fall jeder, der in Kontakt mit möglicherweise Infizierten war, und auch jeder, der Sorge hat, dass er sich infiziert hat. Derzeit werden ausschließlich PCR-Tests verwendet, sie werden im Klinikum selbst ausgewertet. Vor zwei bis drei Wochen habe es einen Engpass bei Reagenzien gegeben, sagt Scheu, das habe sich aber in den vergangenen Tagen wieder gebessert. Große Hoffnung setzt man auf die Antigen-Schnelltests, die in den kommenden Wochen eingesetzt werden können. Dann werde man in der Lage sein, alle Mitarbeiter und stationären Patienten zu testen, sagt Scheu. Die Tests hätten eine „relativ große Sicherheit“, bei Zweifeln werde noch ein zusätzlicher PCR-Test gemacht. Für die Antigen-Schnelltests sind weitere Investitionen und viel Vorarbeit notwendig. Die Tests werden über das hauseigene Labor eingekauft. Dazu habe man vorab getestet, welche sich gut eignen. Offensichtlich gibt es hier gravierende Qualitätsunterschiede. Laut Scheu war ein Schnelltest dabei, „der nichts gebracht hat“. Für die Auswertung der Tests werden sechs Analyse-Geräte angeschafft. Jedes davon kostet 2 000 Euro. Außerdem müsse sichergestellt sein, dass die Testergebnisse auch den jeweiligen Personen sicher zugeordnet werden können. Bei 30 000 Patienten, die jedes Jahr stationär im Klinikum behandelt werden, eine Herausforderung: Scheu: „Hier dürfen null Fehler passieren.“

Wurden die Regeln für Patienten-Besuche weiter verschärft?

Nein, nach wie vor gilt: Patienten dürfen täglich einen Besucher für maximal eine halbe Stunde empfangen. Um das Infektionsrisiko zu verkleinern, sollte es sich immer um denselben Besucher handeln. Er muss mindestens 16 Jahre alt sein, sich registrieren lassen und die Hygienevorgaben einhalten. Besuche sind täglich ausschließlich von 15 bis 18 Uhr möglich, um 17.30 Uhr ist Einlass-Ende. Ausgenommen von dieser Regelung sind infektiöse und isolierte Patienten. „Dass aber Menschen einsam sterben müssen“, sagt Scheu, „wollen wir möglichst vermeiden“.

Quelle: Anna Rieser, Straubinger Tagblatt, 14.11.2020