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Vom Reiz der Ursachenforschung
Generationswechsel in der noch jungen Klinik für Neurologie am Klinikum: Bernadette Amann-Neher (41), gebürtige Oberbayerin, ist seit 1. Juli neue Chefärztin, nachdem Dr. Carsten Isenberg nach 14 Jahren Tätigkeit vor Ort in Ruhestand gegangen ist. Die Klinik für Neurologie besteht erst seit 2021 als Hauptfachabteilung, die letzten elf Jahre war sie eine Sektion. Die Entwicklung trägt dem Aufkommen an neurologischen Erkrankungen Rechnung, insbesondere dem Schlaganfall, der laut Bernadette Amann-Neher der häufigste Akutfall ist, mit dem ihre Abteilung konfrontiert ist, zunehmend schon bei jüngeren Patienten. Die Kategorie „jünger“ beginne für einen Neurologen „bei unter 70“, sagt sie. Es gebe Patienten mit dieser Diagnose leider auch schon mit 20 und 30 Jahren. Im Herbst 2023 hat Bernadette Amann-Neher am Klinikum als leitende Oberärztin begonnen und ist jetzt die nächste Stufe der Karriereleiter zur Chefärztin geklettert, nachdem sie die Funktion bereits mehrere Monate kommissarisch innehatte. Eine Station mit 20 Betten gehört zu ihrer Klinik, die Stroke Unit (spezialisierte Schlaganfalleinheit) mit sechs Akutbetten inklusive. Acht Assistenzärzte gehören wie eine Oberärztin zum Stab und zwei Oberärzte werden in den nächsten Monaten dazukommen.
Zusatzbezeichnung „Verkehrsmedizin“
Es habe sie gereizt, Neues aufbauen zu können. „Das ist anders als in alteingesessene Strukturen zu kommen.“ Das Klinikum war ihr ein Begriff, sagt sie, zum ersten Mal hier gewesen ist sie tatsächlich aber erst zum Vorstellungsgespräch, erinnert sie sich lachend. Die Barmherzigen Brüder, der Träger, seien ihr natürlich ein Begriff gewesen, sie schätze deren menschliche Ausrichtung. „Und ich bin nur auf offene Türen gestoßen.“ Bernadette Amann-Neher hat die Zusatzbezeichnung „Verkehrsmedizin“. Früher hat sie für den TÜV Fachgutachten für sogenannte MPUs (medizinisch-psychologische Untersuchung) gemacht, heute begutachtet sie, ob beispielsweise Epilepsie- oder Parkinson-Patienten fahrtüchtig sind. Nach Unfällen oder auch ohne Anlass im Auftrag von Patienten mit einer entsprechenden Erkrankung.
Neurologie hat Vorzug vor Psychiatrie bekommen
Sie habe wieder näher am Patienten tätig sein wollen, sagt die Neurologin, nachdem sie zuletzt teils im Homeoffice bei einem Unternehmen in Baden-Württemberg, dem Longevity Center, tätig war. Vorher war sie Oberärztin am Klinikum Deggendorf. Und davor in Bremerhaven klinisch tätig. Sie wohnte in der Zeit mit Mann und den drei Kindern dort. Auch ihr Mann ist Arzt und arbeitet heute als Viszeral-Chirurg an der Klinik Bogen. Die beiden haben sich im Studium kennengelernt. Nach dem mehrjährigen Intermezzo im hohen Norden „hat es uns dann doch wieder nach Bayern gezogen“, sagt sie lachend. Studiert hat Bernadette Amann-Neher, die in Lenggries geboren ist, in München an der LMU und TU. Ursprünglich, sagt sie, habe sie Psychiaterin werden wollen. Prof. Hans Förstl, eine Koryphäe auf seinem Gebiet, habe sie für das Fach begeistert. Als sie das für die Facharztausbildung notwendige Jahr Neurologie absolvierte, hat diese Disziplin aber die Oberhand gewonnen. Das Forschen nach Krankheitsursachen hat sie besonders gereizt. „Es ist wie ein Rätsel zu lösen“, gerade wenn es um seltene Erkrankungen und diffuse Symptome gehe. Einige Fälle dieser Kategorie seien ihr in den wenigen Monaten in Straubing bereits untergekommen. „Da kommt es oft auf den richtigen Riecher an.“ Alle sieben Jahre, heiße es gemeinhin, verdopple sich das Wissen in einer Disziplin. Es gebe neue Medikamente, neue Diagnose,,und Therapieverfahren. Das sei Motivation, ständig dazuzulernen – lebenslang. „Wer aufhört, besser sein zu wollen, hat aufgehört, gut zu sein“, ist deshalb ihre Devise. Dazugelernt habe die Neurologie vor allem in der Coronazeit, denn da seien eine Reihe von Nebenwirkungen und Folgeerscheinungen aufgetreten – von chronischen Erschöpfungszuständen, Thrombosen bis hin zu Long Covid.
Motiviert zu lebenslangem Lernen
Die Neurologie am Klinikum sei in erster Linie Akutversorger, verweist sie als Beispiele auf Schlaganfall, Epilepsie, Schwindel- und Kopfschmerz-Attacken bis hin zur Abklärung chronischer Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen wie Parkinson und Multiple Sklerose. Auch dass die Region ein Zeckenrisikogebiet sei, sei ein Faktor. Dieses Jahr sei es in der Hinsicht „heftig“, sagt sie. Sie hatte mit mehreren FSME- und Borreliose-Fällen zu tun. Ebenso werde die Neurologie hinzugezogen, wenn Patienten mit Nervenverletzungen und Lähmungen nach Unfällen eingeliefert werden. Ambulant können hier nur Privatpatienten behandelt werden sowie prä- und poststationäre Patienten.
Privat steht die Familie bei Bernadette Amann-Neher an erster Stelle. Sie ist Mutter dreier Kinder. Und mit ihrem Mann zusammen ist der eigene mächtig große Garten um ihr Haus in einem kleinen Dorf bei Plattling das größte Hobby. Er beherbergt nicht nur Rosen, Hortensien und Kugelbäume, einen Teich mit Fröschen, einen Gemüsegarten und naturnahe Flächenigel- wie bienenfreundlich. Daheim sind hier auch drei Hunde, eine Katze, Chinchillas, vier Enten, zwei Gänse und ein Hamster, zählt sie lachend auf. Bei deren Versorgung hilft die fünfköpfige Familie tatkräftig zusammen. Zur Entspannung schaut Bernadette Amann-Neher gerne Filme, am liebsten Krimis und Thriller, und auch die ein oder andere Serie – aber garantiert keine Krankenhausserie, sagt sie lachend.
Quelle: Monika Schneider-Stranninger, Straubinger Tagblatt vom 14. September 2024