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Simulation: Chlorgas-Unfall im Freibad Bogen
Das Szenario: Im Freibad Bogen ist giftiges Chlorgas ausgetreten. Rund 30 Verletzte und Erkrankte mit teils lebensbedrohlichen Lungen- und Atemwegsproblemen brauchen eine rasche medizinische Versorgung und bringen die benachbarten Kliniken an ihr Limit. Gut, dass der Massenanfall von Verletzten (MANV) am Samstag nur simuliert war. „Die Teilnahme am Katastrophenschutzübung des Landkreises Straubing-Bogen bot uns eine gute Gelegenheit, den Ernstfall zu proben und die Behandlung von ungewöhnlich vielen kritisch erkrankten Patienten unter herausfordernden Bedingungen zu trainieren“, sagt Christian Thiel, Leiter des Notfallzentrums in Straubing.
Ein Massenanfall von Verletzten wie der Chlorgas-Unfall stellt Krankenhäuser und Hilfsorganisationen vor große Herausforderungen. „Es gibt anfangs weniger Rettungsmittel als Patienten. Individualmedizin – also ein Rettungsfahrzeug und ein Notarzt pro Patienten – ist nicht mehr möglich. In der Folge starten verschiedene Mechanismen, alle greifbaren Rettungsdienste werden nachalarmiert. Am Unfallort werden die Opfer gesichtet und auf Basis des etablierten Triage-Systems die Behandlungsreihenfolge anhand der Dringlichkeit festgelegt“, beschreibt Thiel die Ersteinschätzung.
Katastrophenschutz-Plan im Praxistest
Alle verletzten und erkrankten Personen – von Freiwilligen gespielt – wurden nach dem so genannten Wellenplan auf die Kliniken Bogen und Straubing verteilt, acht der Patienten kamen ins Klinikum Straubing. Neben Patienten mit Inhalationstraumata gab es auch Verletzte durch Explosion oder durch Panik. Anhängekarten informierten über die Verletzungsmuster.
Um auf solche zum Glück seltene, aber extreme Fälle vorbereitet zu sein, gibt es am Klinikum Straubing einen Katastrophenschutz-Plan, berichten die Katastrophenschutz-Beauftragten Dr. Erich Loibl und Dr. Paul Schubert. Dieses MANV-Konzept wird beispielsweise angewandt bei Busunfällen mit vielen Verletzten oder im Falle von Großeinsätzen zum Beispiel auf dem Gäubodenvolksfest. Im Rahmen des gut zweistündigen Praxistests bestand bei der Übung Gelegenheit, den im Plan vorgesehenen Ablauf zu üben und die Strukturen zu trainieren.
Übergabe an Schockraumteam und OP
Los ging es vor dem Eingang zum Notfallzentrum mit einer nochmaligen Sichtung: Je nach Schwere der Verletzung und Erkrankung wurden die Patienten in die Kategorien Rot für sofortige Behandlung wegen akuter Lebensgefahr, Gelb für dringliche Behandlung und Grün für normale Dringlichkeit eingeteilt. Geübt wurde die administrative Aufnahme – bei sehr vielen Patienten kann die Aufnahme mit Nummern statt Namen beschleunigt werden –, die Logistik in der Notaufnahme, die Übergabe der akut zu versorgenden Patienten an das Schockraumteam und dann in den OP – hier endete die Übung.
Notfälle wurden am Übungstag wie sonst versorgt
„Am Übungstag mussten wir kurzzeitig einen Teil der Notaufnahme freihalten und dafür Patienten zügig verlegen, um Platz zu schaffen“, bittet Thiel um Verständnis für mögliche Beeinträchtigungen. „Notfälle wie Herzinfarkt und Schlaganfall wurden natürlich genauso zügig versorgt wie sonst auch“, versichert Thiel. Letztendlich seien es die Patienten, die vom Simulations-Training profitieren. Anhand der Erfahrungen aus der Übung würden Strukturen überprüft und überarbeitet. Verglichen mit den jährlichen theoretischen Fortbildungen im Frühsommer sei die Simulations-Übung nachhaltiger.
Bei den rund 30 Teilnehmern des Trainings handelte es sich um Pflegekräfte und Ärzte der Notaufnahme, der Klinik für Anästhesie, operative Intensivmedizin und Schmerzmedizin sowie der sowie Verwaltungspersonal.
Chlorgas-Unfall eine große Herausforderung
Chlor, das zum Desinfizieren des Wassers in Schwimmbädern verwendet wird, kann beispielsweise aus Behältern in Technikräumen oder aus Leitungen austreten. Das entstehende Gas wird vom Menschen rasch über Schleimhäute und Atemwege aufgenommen, erläutert Thiel. Die Folgen reichen von Übelkeit und Erbrechen, tränenden Augen und Sehstörungen bis hin zu Husten, Atemnot, Lungenödem und letztlich Atemstillstand. „Die Kombination von Patienten mit Inhalationstrauma mit Vergiftungserscheinungen und zusätzlich multiplen Verletzungen stellte eine große Herausforderung in Sichtung und klinischer Versorgung dar. Trotz der Komplexität dieser Situation meisterten die Übungsteilnehmer die Herausforderungen mit bemerkenswerter Kompetenz und Professionalität.“, zieht Thiel ein letztendlich positives Fazit der Übung. -urs-
Notfallzentrum
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