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Männer zu Krebs-Vorsorge motivieren

(19.09.2023)

Privatdozent Dr. Christian Gilfrich, Chefarzt der Urologie am Klinikum, zum Europäischen Prostata-Tag und zu den Möglichkeiten, mit Roboter-Unterstützung zu operieren

Der Chefarzt der Klinik für Urologie ist für 2024 zum Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für roboterassistierte Urologie gewählt worden.

Erstmalig im Jahr 2005 ist der Europäische Prostata-Tag am 15. September von Urologen- und Patientenverbänden ausgerufen worden. Mit allem Grund: Jährlich erkranken etwa 60 000 Männer an Prostatakrebs – die häufigste Krebserkrankung und zweithäufigste Krebstodesursache bei Männern. Der Chefarzt der Urologie, Privatdozent Dr. Christian Gilfrich, hat uns einige Fragen zu diesem Aktionstag beantwortet. 

Zu welcher Botschaft möchten Sie als Urologe diesen Aktionstag nutzen?

Christian Gilfrich: Im Alltag verhalten sich Männer oft weniger gesundheitsbewusst als Frauen. Mein Hauptanliegen ist, die Männer über die Optionen der Vorsorgeuntersuchung aufzuklären und zu informieren. Frauen gehen regelmäßiger zur Vorsorgeuntersuchung, bei Männern ab dem 45. Lebensjahr sind es unter 20 Prozent. Prostatakrebs macht meist erst Beschwerden durch die Tumorstreuung (Metastasen), dann ist er nicht mehr zu heilen – und das kann man durch eine regelmäßige, schmerzlose Vorsorgeuntersuchung beim Urologen vermeiden. Zudem leidet beinahe jeder zweite deutsche Mann über 50 Jahren unter den Beschwerden einer gutartigen Vergrößerung der Prostata mit Symptomen wie häufigem Harndrang oder schwachem Harnstrahl.

Fast 70 000 Neuerkrankungen pro Jahr

Von Prostatakrebs hört man – mindestens gefühlt – relativ oft. Ist dieser Krebs auf dem Vormarsch? Wenn ja, woran liegt das?

Christian Gilfrich: Prostatakrebs ist mit fast 70 000 Neuerkrankungen im Jahr die häufigste Krebserkrankung des Mannes und die zweithäufigste Krebstodesursache bei Männern. In den letzten Jahren ist die Zahl der neu entdeckten Prostatakarzinome pro Jahr relativ konstant. Wenn man den Prostatakrebs früh erkennt, ist er meist gut heilbar. Ursachen für die Entstehung des Prostatakarzinoms sind trotz intensiver Forschung noch wenig bekannt, eine Häufung der Erkrankung unter nahen Angehörigen (Vater, Bruder) ist inzwischen wie auch das Alter als Risikofaktor belegt. Europäer und weiße Nordamerikaner haben ein höheres Erkrankungsrisiko als Asiaten, Männer schwarzafrikanischen Ursprungs haben das höchste Risiko. Zu lebensstil- oder umweltbezogenen Risikofaktoren gibt es wenige gesicherte Erkenntnisse. Allerdings können ein normales Gewicht und ausreichende sportliche Aktivität das Risiko für ein Prostatakarzinom verringern.

Wie sind die Heilungschancen zu beurteilen, wie frühe Diagnose und die therapeutischen Möglichkeiten - konservativ wie chirurgisch im Vergleich vor etwa zehn Jahre.

Christian Gilfrich: Wenn der Prostatakrebs diagnostiziert und das Ausmaß sowie das Stadium der Erkrankung durch weitere Untersuchungen festgestellt wurde, entscheiden Patient und Arzt gemeinsam, welche Möglichkeiten der Therapie bestehen und am besten geeignet sind. Sofern sich das Karzinom innerhalb der Prostata befindet, ist der Krebs heilbar. Über 90 Prozent der Erkrankten sind nach fünf Jahren noch am Leben. Bei niedrig-aggressiven Tumoren kann 

man den Krebs auch ohne jegliche Therapie beobachten, bei etwas größeren Befunden kann man entweder eine Operation oder eine Strahlentherapie durchführen. Beide Behandlungen  haben in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht, durch den Einsatz der roboterassistierten Chirurgie zum Beispiel konnte die Blutungsgefahr, die Komplikationen und auch der Krankenhausaufenthalt deutlich gesenkt werden. Auch bei der Strahlentherapie konnten durch den Einsatz moderner Techniken die Komplikationen reduziert werden. Wird der Tumor erst spät und somit metastasiert entdeckt, kann die Erkrankung trotz medikamentöser Behandlung, die in den letzten Jahren auch sehr große Fortschritte gemacht hat, nicht geheilt werden. Ziel der Behandlung ist, das Fortschreiten möglichst lange aufzuhalten und die Lebensqualität des Patienten zu sichern. Wie lange ein Patient mit metastasiertem Prostatakrebs überleben kann, ist abhängig von der Bösartigkeit des Tumors und von der Art der Metastasierung. Darum ist die Lebenserwartung nach dem ersten Auftreten von Metastasen individuell sehr unterschiedlich. Nicht wenige Männer überleben trotz fortgeschrittenem Prostatakrebs mit der modernen und zunehmend personalisierten Systemtherapie noch viele Jahre.

Robotergestützte Chirurgie in der Urologie

Sie gelten als Vorreiter der robotergestützten Chirurgie (da Vinci). Warum eignet sie sich gerade in der Urologie?

Christian Gilfrich: Die Prostatakrebsoperation ist eine besondere Operation: es geht nicht nur darum, den Patienten möglichst von seinem Tumor zu befreien, sondern auch die Lebensqualität zu erhalten. Bei der Prostataoperation besteht die Gefahr, dass der Schließmuskel, der für das Urinhalten, die Kontinenz, verantwortlich ist, nicht mehr richtig funktioniert. Für den Erhalt der Potenz muss man die sehr nah an der Prostata gelegenen Nervenfasern während der Operation erhalten. Dafür bietet die robotergestützte Chirurgie sehr gute Möglichkeiten: Man kann sehr feine Strukturen durch sehr kleine Instrumente und eine sehr gute Sicht erhalten; letztlich ist der Begriff „robotergestützt“ etwas irreführend, da das Systems nicht selbstständig operiert, es ist vielmehr eine Fernsteuerung mit einer sehr präzisen Technik, die für den Operateur, wenn er sich mit dem System gut auskennt, gute Ergebnisse ermöglicht. Ich führe diese Operationen als einer der ersten seit 2004 durch, die Deutsche Urologie war Vorreiter mit dieser Technik, die sich mittlerweile auch in anderen Fachgebieten wie der Chirurgie und der Gynäkologie immer mehr durchsetzt.

Menschlicher Operateur noch nicht zu ersetzen

Das kann robotergestütze Chirurgie überhaupt leisten? Kann Sie (irgendwann) den menschlichen Operateur komplett ersetzen? Wo sind seine Grenzen?

Christian Gilfrich: Momentan ist die robotergestützte Chirurgie eine Unterstützung, ein Hilfsmittel für den Operateur. Wir haben bald die Möglichkeit, Röntgen- und Ultraschallbilder in unser Operationsfeld zu projizieren, was zum Beispiel beim Nierentumor die Operation erleichtert. Zudem gibt es mittlerweile gute Simulationsprogramme, die den Kollegen, die in Ausbildung sind, gute Übungsmöglichkeiten geben, bevor sie einen Patienten operieren. Ich kann als Ausbildungsoperateur durch die gute Visualisierung und andere Hilfsmittel neue Operateure sehr gut instruieren, was die Qualität verbessert. Dass der Operateur durch einen Roboter ersetzt werden kann, ist sicher die nächsten 15 Jahre nicht absehbar – dafür ist jeder Mensch unterschiedlich und die einzelnen Operationsschritte zu komplex. Aber wir werden immer mehr Hilfsmittel zur Verfügung haben, die die Operationen für den Patienten sicherer machen und die Komplikationsrate senken.

 Bessere Ergebnisse für die Patienten

Sie sind kürzlich für 2024 zum Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für roboterassistierte Urologie gewählt worden. Was ist Ihnen in dieser Position ein Anliegen?

Christian Gilfrich: Als ich mit der sogenannten roboterassistierten Urologie damals an der Uniklinik in Heidelberg begonnen habe, waren viele Kollegen sehr skeptisch. Es gibt auch in der Medizin immer wieder neue Entwicklungen, die aber nach kurzer Zeit wieder „verschwinden“, weil sie nicht die Erwartungen erfüllen. Mittlerweile sind jedoch die Vorteile der Roboter-Chirurgie anerkannt und sie wird immer häufiger eingesetzt – die Systeme sind keine Garantie für eine erfolgreiche Operation und letztendlich entscheidet auch hier die Erfahrung und das Geschick des Operateurs – aber wir haben eine Unterstützung, die wir für bessere Ergebnisse bei unseren Patienten einsetzen können. Nachdem sich die roboterassistiere Chirurgie in der Urologie durchgesetzt hat, erkennen auch die anderen Fachbereiche die Vorzüge dieser Technik; es gibt mittlerweile mehrere Systeme auf dem Markt und es ist unsere Aufgabe, diese sinnvoll und mit dem Ziel einer verbesserten Behandlungsqualität einzusetzen. Wichtig ist, dafür Ausbildungskonzepte zu entwickeln, Expertenwissen weiterzugeben und eine objektive Darstellung der Vor- und Nachteile zu garantieren.

Info: Unter Christian Gilfrichs Präsidentschaft wird im November 2024 der Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für roboterassistierte Urologie in der Fraunhofer-Halle ausgerichtet, bei dem sich nationale und internationale Experten treffen, um sich in wissenschaftlicher Qualität über ihre Erfahrungen auf dem Gebiet der roboterassistierten urologischen Chirurgie auszutauschen.

Quelle: Monika Schneider-Stranninger, Straubinger Tagblatt vom 15.09.2023