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Krankenhaushygiene kein Zufall

(02.07.2019)

Hygiene-Experte Dr. Stierstorfer vom Klinikum St. Elisabeth über Händedesinfektion und Antibiotika

Dr. Franz Stierstorfer ist das Gesicht der Krankenhaushygiene im Klinikum St. Elisabeth. Der Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin hat nun vor der Ärztekammer in München die Prüfung als Krankenhaushygieniker erfolgreich abgelegt und ist damit einer von nur 22 Ärzten, die diese Ausbildung in Bayern absolviert haben. Wir sprachen mit dem Infektiologen und Hygienebeauftragten über gefährliche Keime, Antibiotika und Masernimpfung.

Wie sind Sie zur Krankenhaushygiene gekommen?
Dr. Franz Stierstorfer: Die Mikrobiologie und die Infektiologie haben mich schon während meines Medizinstudiums sehr interessiert. Ab 2005 arbeitete ich fast ausschließlich auf Intensivstationen und hatte viel mit Infektionen zu tun. Ich habe mir ein großes Wissen auf diesem Gebiet angeeignet und 2012 an der Uniklinik Regensburg die Zusatzbezeichnung Infektiologie erworben. In Straubing gehöre ich seit 2013 zur Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin und widme mich seit 2015 der Infektiologie und Krankenhaushygiene. Wegen gestiegener Anforderungen besetze ich seit Anfang 2017 in diesem Bereich eine 50-Prozent-Stelle. Weiter habe ich mich zum Antibiotic-Stewardship-Experten weitergebildet, um den rationalen Einsatz von Antibiotika voranzutreiben.

Wie schützt das Klinikum St. Elisabeth Patienten vor einer vermeidbaren Infektion?
Sehr wichtig ist die Basishygiene, vor allem die Händedesinfektion. Dazu haben wir in jedem Patientenzimmer zwei Desinfektionsmittelspender aufgestellt. Dank ausreichend Personal können wir am Klinikum die Regeln der Händehygiene vorbildlich umsetzen. Hygiene ist nicht Sauberkeit. Vielmehr bedeutet Hygiene die Summe aller Maßnahmen, um die Übertragung von krankmachenden Keimen auf den Patienten zu unterbinden. Auch das Screening von Risikopatienten ist eine bedeutende Maßnahme. Zu dieser Personengruppe gehören beispielsweise Personen mit vielen Begleiterkrankungen, Notfallpatienten und Patienten mit Kontakt zum Gesundheitssystem in Südosteuropa, wo Antibiotika frei verkäuflich sind. Bis das Ergebnis des Tests vorliegt, bleiben die Patienten je nach nachgewiesenem Keim in Einzelzimmern.

Das Klinikum hat die Gold-Auszeichnung der „Aktion Saubere Hände“ erhalten. Wie geht es weiter?
Nun geht es darum, dieses Ergebnis und damit den hohen Verbrauch an Händedesinfektionsmitteln zu halten. Dazu nutzen wir verschiedene Instrumentarien wie die Prozessbeobachtung, die Infektionsüberwachung mit dem KISS-System und den Vergleich mit anderen deutschen Krankenhäusern. Im Moment zählen wir in Sachen Händehygiene zu den 25 Prozent der besten Krankenhäuser Deutschlands. Wir wollen zu den besten 20 Prozent aufrücken.
Die Niederländer werden für ihren erfolgreichen Kampf gegen multiresistente Keime im Krankenhaus gelobt. Was können wir lernen?
Im Kampf gegen MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) setzen die Niederländer auf Screening. Sie haben zudem mehr Personal als wir in Deutschland. Allerdings haben sich inzwischen multiresistente gramnegative Keime (MRGN) zum Hauptproblem in Krankenhäusern entwickelt. Bei diesen Keimen haben auch die Holländer Probleme. MRSA werden im Volksmund Krankenhauskeime genannt, das ist missverständlich. Tatsächlich haben 90 Prozent der Patienten mit MRSA den Keim bereits, wenn sie ins Krankenhaus kommen, und zehn Prozent steckten sich erst im Krankenhaus damit an.

Wie stehen Sie zur Therapie mit Antibiotika?
Antibiotika müssen restriktiv eingesetzt werden. Nur wenn der Patient sicher eine bakterielle Infektion hat, sollten sie verordnet werden. Ausreichend Diagnostik und speziell auf den Keim abgestimmte Wirkstoffe sind wichtig. Viele Infekte sind aber viral bedingt, Antibiotika helfen hier nicht. Daher habe ich für unsere Ärzte am Klinikum einen Leitfaden zum Einsatz von Medikamenten zur Behandlung von Infektionskrankheiten entwickelt. 30 Prozent aller Antibiotika-Behandlungen in deutschen Krankenhäusern sind aktuell nicht notwendig. Ein Antibiotikum verbraucht sich. Grundlos verschrieben, nimmt seine Wirksamkeit ab und es entstehen resistente Keime.

Geben Sie im Klinikum Patienten die Hand zur Begrüßung?
Sich die Hand zu geben, ist ein gesellschaftliches Ritual, das Vertrauen produziert. Viele Menschen reagieren fast brüskiert, wenn man ihnen nicht die Hand gibt. Aus Hygienegründen spricht nichts dagegen, wenn man sich danach die Hände desinfiziert.

Welche Pläne haben Sie, um die Hygiene im Klinikum weiterzuentwickeln?
Wir planen, ein Antibiotic-Stewardship-Team zu bilden, um den rationaleren Einsatz von Antibiotika in allen Abteilungen zu erreichen. Change-Management ist hier ein wichtiges Stichwort, um beim Personal eine Verhaltensänderung zu bewirken. Ziel ist, dass die Mitarbeiter aus eigenem Antrieb Antibiotika rational verwenden und Hygienemaßnahmen wie selbstverständlich in den Handlungsablauf integrieren. Eine engere Zusammenarbeit mit der technischen Abteilung und mit dem Reinigungsdienst steht ebenfalls auf der Agenda. Wasser- und Luftproben müssen die DIN-Normen erfüllen. Die anstehenden Umbaumaßnahmen werden von der Hygieneseite mitgeplant, damit beispielsweise kein Baustaub in die Patientenzimmer gelangt.

Welche Aufgaben hat ein Krankenhaushygieniker und wer unterstützt Sie bei der Umsetzung?
Krankenhaushygiene bedeutet, dass Fachkräfte die geforderten Hygienemaßnahmen umsetzen. Basis hierfür ist das deutsche Infektionsschutzgesetz. Die bayerische Medizin-Hygiene-Verordnung, Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts, technische Vorgaben sowie die Anforderungen des Gesundheitsamts bilden die Grundlagen dieses Arbeitsfeldes. Drei Hygienefachkräfte aus dem Pflegebereich, ein externer Hygieneberater von der Uniklinik Regensburg und ich bilden das Hygieneteam.

Was halten Sie von der geplanten Masernimpfpflicht in Deutschland?
Masern sind eine gefährliche Erkrankung, die in seltenen Fällen unaufhaltbar zum Tod führen kann. Mit der sinkenden Impfrate ist in Bayern die Zahl der Infektionen wieder gestiegen. Da die Masernimpfung sehr sicher ist und fast keine Nebenwirkungen verursacht, könnte ich aus infektiologischer Sicht eine Impfpflicht für gut befinden. Allerdings stehen juristische Gründe dagegen. Der Patient muss wie bei jeder medizinischen Maßnahme auch der Impfung zustimmen. Der bessere Weg ist es meiner Meinung nach daher, die Bevölkerung über die Bedeutung der Impfung zu informieren. Hier sind Kinder- und Hausärzte gefordert. Dass die Impfung etwas bringt, lässt sich mit Zahlen belegen. Weil die Erkrankung seltener geworden ist, hat sie etwas von ihrem Schrecken verloren.