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Es fehlt am Nötigsten

(24.12.2020)

Prof. Dr. Norbert Weigert wäre heuer zum dritten Mal zum Medizineinsatz nach Nepal geflogen. Jetzt sammelt er Spenden für die Arbeit dortiger Kollegen mit Coronapatienten

Unsere Stimmungslage ist nicht die Beste. Die Coronakrise schränkt uns ein, hält uns ab vom Gewohnten. Aber eigentlich haben wir es gut. Wir haben einen handlungsfähigen Staat und ein leistungsfähiges Gesundheitssystem. Wir sprechen von Wirtschaftshilfen. In Nepal, einem der ärmsten Länder der Welt, fehlt es in der Behandlung von Coronapatienten am Nötigsten.
Wie Krankenschwestern, -pfleger und Ärzte dort arbeiten, können wir uns mit einiger Phantasie vielleicht vage vorstellen.
 

Einer, der es aus eigener Anschauung kennt, ist Prof. Dr. Norbert Weigert, Chefarzt der I. Medizinischen Klinik am Klinikum St. Elisabeth.

„Man muss sich die Maßstäbe vor Augen halten“, sagt er. Heuer im November wollte er wieder für zwei Wochen nach Nepal fliegen und im Dhulikhel Hospital bei Kathmandu unentgeltlich arbeiten. Die vergangenen zwei Jahre hat er dort jeweils Berufskollegen und ihre Mitarbeiter in endoskopischen Diagnose- und Therapieverfahren geschult und Patienten mit komplexen Krankheitsbildern behandelt.

Gegenbesuch am Klinikum war schon geplant

Heuer wären erstmals zwei nepalesische Krankenschwestern nach Straubing gekommen, im März/ April, um am Klinikum in der Gastroenterologie zu hospitieren. Das wäre auch für sein Endoskopie- Team eine interessante Erfahrung gewesen, ist er sicher. Sie durften allerdings nicht ausreisen. „Weil Deutschland damals als Risikogebiet galt“, sagt Prof. Weigert und die Ironie ist ihm bewusst. „Bei uns hatten wir damals tatsächlich höhere Inzidenzzahlen als in Nepal.“ Es sei schon alles für den Besuch geplant gewesen, aber selbst wenn die Schwestern hätten kommen dürfen, wären sie auf nicht absehbare Zeit hier bei uns festgesessen.

Einen caritativen Auslandseinsatz als Arzt hatte Prof. Weigert lange im Sinn. So hatte er es 2018 nach dem ersten Einsatz in Nepal erzählt. Das organisatorische Dach dazu hat ihm das Nepal-Projekt der Gastroenterology Foundation e.V. gegeben. Weigert ist dort Mitglied wie 13 weitere renommierte Fachärzte aus ganz Deutschland und der Schweiz. Ihr gemeinsames Anliegen ist „die Versorgung der Ärmsten der Armen mit guter Medizin“, ja der Zugang zu den Vorteilen der Hochleistungsmedizin. Viele Menschen hätten in Nepal, weil sie abgelegen leben, gar keinen Zugang zu Medizin. Manche nähmen mehrere Tagesmärsche auf sich, um Hilfe zu bekommen. Und aufwendige Behandlungen bezahlen, sei die nächste Hürde. Es gibt keine Krankenversicherung. Im Dhulikhel Hospital, werden arme Menschen kostenlos behandelt. 80 Prozent der Patienten des Hospitals gehören zum weitgehend mittellosen Bevölkerungsanteil. Vor fünf Jahren ist Nepal von einem Erdbeben heimgesucht worden. Die ganze Welt schaute damals auf das Land, erinnert Prof. Weigert. Jetzt sei Nepal eines von vielen betroffenen Ländern einer weltweiten Pandemie. Dazu das feuchte, kühle Klima, unzureichende hygienische Verhältnisse. Für die Pandemie ideale Befeuerung.

Hilfslieferung hing in Istanbul fest

Deshalb sammelt er wie seine Berufskollegen jetzt gezielt Spenden für die Bewältigung der Corona- Herausforderungen im Dhulikhel Hospital. Wieder. Er wird von seinen Kollegen kontaktiert, denn als einer der wenigen der Gruppe hat er Ortskenntnis von zwei Aufenthalten. Im April, Mai seien selbst bei uns FFP2-Masken rar gewesen und überteuert, sagt Weigert. Und dann habe Deutschland ein Exportverbot für Schutzausrüstungen verhängt. Und es seien keine Flüge mehr nach Nepal gegangen. Eine Hilfslieferung aus Straubing ist in Istanbul gestrandet. Vier Wochen. Weigert hatte schlaflose Nächte. Dann ging es doch weiter. Im August ist die Hilfe im Hospital angekommen. Die Schwestern und Ärzte bedankten sich überschwänglich. Da sei es in Nepal erst so richtig losgegangen mit Corona.

Beatmungsmaschinen nach Nepal zu schicken, habe wenig Sinn, sagt er. Weil es an der zugehörigen Infrastruktur mangle. Es seien natürlich dort Beatmungsmaschinen vorhanden. Allerdings wenig. Die Option, jemand drei bis vier Wochen zu beatmen, gebe es kaum. „Es ist dort Alltag, wovor wir Angst haben, nämlich entscheiden zu müssen, wer wird beatmet, wer nicht“, sagt Weigert. „Daran sind wir bisher noch vorbeigekommen.“ Nach den ersten Reaktionen aus Nepal habe sich die Entscheidung als richtig erwiesen, sich bei den Spenden auf Schutzkleidung, Masken, Visiere, Handschuhe zu konzentrieren. „In die Breite investieren“, nennt das Weigert, damit möglichst viele etwas davon haben. Und auch die Gastroenterologen hat er bei der Materialbeschaffung nicht vergessen. „Es gibt ja weiter Patienten, die andere Erkrankungen haben als Corona“, sagt er.

Schutzkleidung ist am dringlichsten

Im Laufe des Januar will Weigert einen neuen Transport nach Nepal auf den Weg bringen. „Die Zahlen dort steigen.“ Mittlerweile sei es leichter, Flüge zu bekommen. Schutzausrüstungen seien verfügbar und im Vergleich zum Frühjahr auch bezahlbar. Das Klinikum unterstützt das Vorhaben. „Eine große Palette“ hat Weigert im Sinn und ist sicher, dass jetzt alles verlässlich ankommen wird. Jede Spende eins zu eins. Er ist auch sicher, dass seine Kollegin im Dhulikhel Hospital, vor deren Leistung er höchsten Respekt hat, diese harte Zeit durchstehen. Er denkt an seine Erfahrung, die er von dort mitgenommen hat. Man habe dort einfachste Mittel, mit denen man effektiv arbeite und jammere nicht.

Weigert versucht manchmal, mit den Augen seiner nepalesischen Kollegen auf Deutschland zu schauen: Wohlstand, Absicherung – und Hektik. Letzteres sei der Preis, den wir zahlten. Dort laufe das Leben ruhiger. „Und die Leute sind ergebener“, sagt er. Davon könne man lernen. Im Gegenzug könnten die Deutschen ihre Klinik-Erfahrung aus der Coronakrise weitergeben: Konstante Krisenstab-Abstimmung und fester Ablauf im Umgang mit Covid- 19-Patienten. Das sei dort nicht üblich. „Wir Deutschen organisieren halt gern“, sagt Weigert und muss bei allem Ernst der Lage lachen.

■ Info: Wer die Gastroenterology Foundation e.V. bei weiteren Hilfslieferungen für das Dhulikhel Hospital in der Coronakrise unterstützen will, kann auf das Konto bei der HypoVereinsbank München spenden, IBAN DE 09 7002 0270 4410 2196 33, BIC HYVE DEMM XXX. Nähere Informationen unter www.gastrofoundation.org

Quelle: Monika Schneider-Stranninger, Straubinger Tagblatt, 24.12.2020