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Eine Frage der Solidarität

(11.08.2022)

Eine einfache Rechnung: Je weniger Sturzbetrunkene und Irrläufer die Notaufnahme am Klinikum blockieren, umso reibungsloser die Versorgung jener, die sie dringend brauchen

Ärzte sind keine Spaßbremsen. Sie wünschen sich aber nichts mehr, als dass die jedes Jahr medizinisch herausfordernden elf Tage Gäubodenvolksfest ohne personellen Kollaps zu organisieren sind. Notfälle sind unvorhersehbar. Logisch. Umso mehr kann jeder und jede etwas beitragen zur Entschärfung der coronabedingt zugespitzten Situation. Christian Thiel, leitender Arzt der Notaufnahme am Klinikum, Dr. Wolfgang Schaaf, Vorsitzender des Ärztlichen Bezirksverbands, und Johann Ertl, Vorsitzender des Ärztlichen Kreisverbands, wenden sich an die Öffentlichkeit, um durchs Labyrinth von Notfallzentrum, Bereitschaftspraxis und urlaubsbedingt dezimierten Arztpraxen zu schleusen.

Das Team der Notaufnahme des Klinikums fürchtet aus der Erfahrung der Vorjahre, dass Bürger, deren Hausarzt in Urlaub ist, der Einfachheit halber die Notaufnahme aufsuchen. Sie sind dort aber deplaziert. Sie nehmen Kapazität weg, die dringend für die tatsächliche Klientel der Notaufnahme, nämlich vom Herzinfarkt, Schlaganfall bis zu schweren Unfallverletzungen.

Das Notfallzentrum des Klinikums sei schon jetzt immer wieder an der Belastungsgrenze, sagt Christian Thiel. Allemal weil angesichts der Pandemie mit Personalausfällen zu rechnen sei. Thiel macht überdies deutlich dass in der Notaufnahme die Patienten nicht nach Ankunftszeit an die Reihe kommen, sondern nach jeweils medizinischer Dringlichkeit.

„Klinikum fährt zurzeit Volllast“

„Am Klinikum fahren wir zurzeit Volllast.“ Aktuell werde die Notaufnahme von Patienten überrannt, spitzt Thiel zu. Es seien vielfach Menschen, die nicht auf einen Facharzttermin bei einem niedergelassenen Arzt warten wollten und sich hier schneller am Ziel sehen. Die aktuellen Engpässe rührten also von mehreren Faktoren her: Corona, ohnehin belastete Pflege, hoher Patientenzustrom (auch die Hitzewelle macht sich hier bemerkbar) und ein vollbelegtes Klinikum. Es sei keine Seltenheit, dass Patienten mangels Platz in Krankenhäuser der Region gebracht werden müssten.

Zum Glück, sagt Johann Ertl, gehe die Corona-Inzidenz momentan zurück, während sie im Zuge einer Reihe von Festen in den vergangenen Wochen in der Region manche Orte im Griff hatte. Nochmals zum Glück, so Ertl weiter, seien viele geimpft und nur von leichten Symptomen betroffen. Bei der aktuellen Corona-Variante gebe es aber immer wieder Patienten, die sich wirklich krank fühlten und mehrere Tage das Bett hüten.

Krankschreibung per Telefon möglich

Christian Thiel rät dringend, bei milden Coronasymptomen daheimzubleiben und mit dem Hausarzt oder seiner Vertretung Kontakt aufzunehmen. „Jetzt ist auch wieder Krankschreibung per Telefon möglich“, sagt Johann Ertl.

Bei der Gelegenheit betont Ertl, dass an der Bereitschaftspraxis beim Klinikum keine PCR-Tests gemacht werden. Auch nicht in der Notaufnahme. Dafür sei der Hausarzt zuständig. An Wochenenden sei bei Symptomen kein PCR-Test möglich, sagt Dr. Wolfgang Schaaf. Ein PCR-Test sei im Corona-Fall nicht zwingend nötig, allerdings für die Dokumentation des Genesenenstatus. Dessen Bedeutung sei aber aktuell unsicher, sagt Ertl mit Blick auf eine womöglich kommende Maskenpflicht im Herbst.

Nicht mit Symptomen aufs Volksfest gehen

Jetzt kommt aber erst einmal die Volksfestzeit. Personalausfälle im Medizinbetrieb seien zu befürchten. Deshalb appellieren die drei Ärzte unisono an alle Volksfestfans, nicht auf den Hagen zu gehen, wenn sie Corona-Symptome haben. Die 3GRegel in Eigenverantwortung zu beachten, wäre das Optimum, geimpft, genesen, getestet, so Dr. Wolfgang Schaaf.

Einen Wunsch hat Christian Thiel: „Helfen wir alle zusammen, dass genug Kapazität für jene da ist, die sie wirklich brauchen.“ Deshalb legt er allen ans Herz, „sich nicht mit Alkohol so arg die Kante geben, dass sie in der Ausnüchterung der Notaufnahme landen“. Einen Hotelservice könnten sie dort ohnehin nicht erwarten.


Die richtigen Anlaufstellen

Jeder niedergelassene Arzt sei verpflichtet, für eine namentlich zu benennende Urlaubsvertretung zu sorgen, sagt Johann Ertl. Es sei dann an den Patienten, bei Bedarf auch diesen jeweiligen Vertreter seines Hausarztes aufzusuchen oder anzusprechen.

Die Bereitschaftspraxis beim Klinikum (direkt gegenüber der Notaufnahme) sei der richtige Ansprechpartner, wenn man eine hausärztliche Leistung brauche, aber zu Zeiten, wo Praxen geschlossen haben, sprich abends und am Wochenende, sagt Ertl.

Sollte bei einem Patienten der Bereitschaftspraxis doch eine weitergehende Diagnostik oder Aufnahme ins Klinikum nötig sein, hätten die dortigen Ärzte den kürzest möglichen Weg, um das zu veranlassen, sagt Christian Thiel. Für die Notaufnahme habe das den Vorteil, dass die Patienten schon von einem Arzt in der Dringlichkeit eingeschätzt wurden. Auch das entlaste das Aufkommen der Notaufnahme. Die Ärztliche Bereitschaftspraxis am Klinikum, direkt gegenüber der Notaufnahme, ist Montag bis Freitag, 18 bis 21 Uhr, Samstag, Sonntag und Feiertag, 9 bis 21 Uhr geöffnet.

Wer die Bereitschaftspraxis nicht aufsuchen kann, weil er krankheitsbedingt nicht dorthin kommen kann, hat noch die Option der Kassenärztlichen Hotline für den Ärztlichen Bereitschaftsdienst, der ins Haus kommt, Tel. 116117. Der Bereitschaftsdienst ist Montag, Dienstag, Donnerstag, 18 Uhr bis nächster Werktag, 8 Uhr; Mittwoch, 13 Uhr bis Donnerstag 8 Uhr; Freitag 13 Uhr bis Montag 8 Uhr; Feiertage: Vortag 18 Uhr bis nächster Werktag 8 Uhr, präsent.

Jeder könne Verantwortung zeigen, so Dr. Wolfgang Schaaf, wenn er coronabedingte Personalausfälle und den Andrang im Klinikum als Umstand respektiere, um diese medizinischen Ressourcen nur dann in Anspruch zu nehmen, wenn es notwendig ist. Natürlich sei bei lebensbedrohlichen Problemen wie zum Beispiel Atemnot, Bewusstlosigkeit, Brustschmerz oder neurologischen Ausfällen keine Zeit zu verlieren und nicht zu zögern, sondern der Notarzt zu rufen: 112.

 

Quelle: Monika Schneider-Stranninger, Straubinger Tagblatt vom 08.08.2022