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Da darf sich jemand Zeit nehmen

(26.05.2025)

Akutgeriatrie des Klinikums ist nach dem Umzug aus Bogen in jeder Hinsicht „dahoam“: Synergieeffekte durch Nähe weiterer Fachabteilungen. Therapeutenteam aufgestockt

Sie fühlen sich längst „dahoam“ im Klinikum: Die Mitarbeiter der Akutgeriatrie, seit 2023 eine Hauptfachabteilung des Klinikums. Fünf Jahre lang war die Abteilung in der Klinik Bogen eingemietet. Im Januar ist sie umgezogen (wir berichteten). Im Zuge des Klinikanbaus ist jetzt der dafür nötige Platz vorhanden, die Wege zu anderen Medizin-Sparten sind kurz, Dialysefahrten nach Straubing entfallen, und es gibt auch räumliche Möglichkeiten, Patienten etwa wegen Covid oder Influenza zu isolieren. Die 24 Betten sind immer belegt. Der Teamgeist ist sehr gut. Es ist kein Showeffekt, wenn Chefarzt Dr. Roland Friedlmeier den Chef der Physiotherapie Christian Böhmker in augenzwinkernder Anspielung auf den „Bergdoktor“ „meinen einzigen Freund“ nennt.

Obwohl es sich nur um einen Umzug handelte, hatte die Akutgeriatrie eine neuerliche umfangreiche Antragstellung zu meistern, sagt Dr. Roland Friedlmeier. Nachzuweisen seien dabei unter anderem gewisse Mindest-Patientenzahlen, die ein Haus von der Größe des Klinikums aber leicht erreicht. „Der Bedarf für Geriatrie ist da“, sagt er. Ein Blick in die Statistik belegt das klar: 2023 waren 41 Prozent aller Patienten im Klinikum über 70 Jahre alt, was Ausdruck unserer alternden Gesellschaft ist. Ab 70 Jahre nimmt die Geriatrie in der Regel Patienten auf.

Rund 50 Konsilien (patientenbezogene Beratung von Ärzten durch einen entsprechenden Facharzt) pro Woche absolviert Friedlmeier. Es gehe dabei um die Klärung der Frage, welche Patienten nach ihrer Akutbehandlung in einer anderen Abteilung für die Aufnahme in die Akutgeriatrie geeignet sind. Schon zahlenmäßig ist mit 24 Betten eine Grenze gesetzt, ebenso durch die Verweildauer, die bei durchschnittlich zwei Wochen liegt. „Ältere Menschen brauchen länger, um sich zu erholen“, sagt Friedlmeier. Und die Zeit bekommen sie hier.

Immer mit Blick auf den ganzen Menschen

Eine aktive Zeit, in der das Mitwirken des Patienten unverzichtbar ist, kombiniert mit einem „ganzheitlichen Ansatz“. Seele, Geist und Körper, die Lebensumstände, all das wird einbezogen in das Behandlungskonzept. Anspruch ist, ältere Menschen möglichst wieder in ein selbstständiges Leben zu entlassen, das sie bis zu der Erkrankung oder dem Unfall geführt haben, sprich, sie wieder nach Hause zu entlassen oder in eine anschließende Reha, wo noch einmal mehrere Wochen die Chance auf Besserung besteht.

Zu Gange sind in der Akutgeriatrie neben Ärzten und Pflegekräften eine ganze Reihe Therapeuten: Physio-, Ergotherapeuten, Logopäden, außerdem Psychologe und Sozialdienst. „Ein Team aus einem Guss“, sagt Friedlmeier und Christian Böhmker gibt ihm recht: Die Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Pflegekräften und Therapeuten sei bis ins Detail aufeinander abgestimmt. Deshalb sind die Erfolgsaussichten sehr gut. Es seien „multiprofessionelle Einheiten“, die „maßgeschneiderte Lösungen“ für jeden Patienten erarbeiten. Die Abrechnung mit dem Kostenträger sei deshalb ebenfalls komplex, folge klaren Vorgaben – zeitlich, räumlich, personell.

Als Therapeut 30 Minuten Zeit für den Patienten

Zweimal pro Woche bespreche sich das Team und könne unmittelbar auf das reelle Bild vom Patienten reagieren. Jede Berufsgruppe gebe ihr Statement ab, sagt Böhmker, und jede werde gehört. Man beziehe auch ein, sagt Friedlmeier, was die Patienten den Therapeuten während der Behandlung wie nebenbei erzählen. Etwa über ihren familiären Hintergrund, ihren Lebensalltag. All das könne positiv einfließen. „Wir setzen ein Mosaik zusammen.“ Friedlmeier nennt es gern „Schach in drei Ebenen.“ Den Therapeuten komme entgegen, dass sie in der Geriatrie nicht unter Zeitdruck arbeiten.

Der Gesetzgeber honoriere die von ihm festgelegten großzügigeren Zeitfenster, was in einer Leistungsgesellschaft wie unserer durchaus bemerkenswert sei, meint Böhmker. Ein Therapeut habe 30 Minuten Zeit für den Geriatrie-Patienten, in Normalbetrieb seien es fünf bis 25 Minuten inklusive Dokumentation. „Das würdigt das Alter, berücksichtigt die Langsamkeit“, sagt der Physiotherapeut, das komme Patient wie Therapeut zugute. Er gibt deshalb Dr. Friedlmeier mit demselben Augenzwinkern zurück: „Mein Quell der Entschleunigung“.

Patienten honorieren, dass jemand für sie Zeit hat

Die Patienten honorierten, dass jemand Zeit für sie hat, sie seien dankbar. „Das Prinzip Hoffnung ist alternativlos“, sagt Böhmker. Deshalb hält Friedlmeier den Vergleich mit einer Geburtsstation nicht für schräg. Die Erfahrung sei intensiv. Es sei Perspektive da. Und für die Mitarbeiter sei es sehr befriedigend, alten Menschen in relativ kurzer Zeit wieder zur gewohnten Eigenständigkeit zu verhelfen. „Deshalb haben wir auch kein Personalproblem“, sagt er. Das Team sei konstant und bei den Therapeuten sogar etwas aufgestockt worden.

Übernommen werden die Patienten, von denen die meisten „80 plus minus fünf“ Jahre alt sind, am dritten, vierten, fünften Tag nach einer Operation – meist aus der Unfallchirurgie. Anlass ist laut Friedlmeier in über 60 Prozent der Fälle ein Sturz. Die Folgen: Der klassische Oberschenkelhalsbruch, Armbrüche und Wirbelverletzungen, Beckenbruch. Daneben sind es Patienten von Neurologen, Kardiologen, Internisten, Gastroenterologen.

Muskelmasse nimmt erschreckend schnell ab

Je früher ein älterer Patient mobilisiert werde, umso besser, denn das größte Problem sei der Muskelabbau, der durchs Liegen beträchtlich sei. Jüngsten Erkenntnissen zufolge zwei Kilo Muskelmasse in nur vier, fünf Tagen, sagt Friedlmeier. Das erkläre, warum sich Angehörige nach dem Krankenhausaufenthalt eines alten Menschen oft wunderten, „zuhause ging das doch noch“. Es brauche lange Training, um wieder fit zu werden.

Insofern freut Friedlmeier wie Böhmer „die unglaublich hohe Wiederempfehlungsrate“, die andere Umfragen im Haus noch toppe. So gut wie jeder Patient der Geriatrie fülle den Fragebogen aus. Um die Zukunft der Geriatrie ist Dr. Friedlmeier nicht bange. Auf Dauer, da ist er mit Blick auf die Alterspyramide sicher, werde es mehr als 24 Betten brauchen.

Quelle: Monika Schneider-Stranninger, Straubinger Tagblatt vom 23.05.2025

Klinik für Geriatrie