Medien

Corona nur eine Seite der Medaille

(14.11.2022)

Das Straubinger Tagblatt im Gespräch mit dem Ärztlichen Direktor des Klinikums, Dr. Hannes Häuser, zur Belastung der Krankenhäuser und den fehlenden Mut, Einschränkungen der Pandemie den Realitäten anzupassen

Täglich bekommt die Klinikum- Leitung Medienanfragen auf den Tisch. Von lokaler Seite, aber auch überregionaler, von BR bis ZDF. Die Corona-Inzidenzen bei Patienten wie Personal und Karl Lauterbachs aktuelle Bestrebungen einer grundsätzlichen (!) Krankenhausreform sind die Motivation. Corona-Patientenzahlen allein jedenfalls seien nur eine Facette der Herausforderungen, vor denen Kliniken stehen, sagt Dr. Hannes Häuser, Ärztlicher Direktor des Klinikums St. Elisabeth. Wir sprachen mit ihm über das, was aus seiner Sicht Mitarbeiter im Gesundheitswesen, insbesondere Klinikbetrieb, umtreibt.

Die nackte Zahl der Corona-Patienten im Klinikum sei nur ein Teil der Wahrheit, sagt Dr. Hannes Häuser. Entscheidender sei die Frage, wieviel Einschränkung verursache die Zahl corona-positiver Patienten im täglichen Krankenhausbetrieb? Nur ein Drittel dieser Patienten im Haus sei tatsächlich an Covid erkrankt, zwei Drittel seien „nur“ positiv. Sie seien zwar kein Fall für die spezifische Isolierstation, dennoch müssten auch hier die nötigen Maßnahmen der Isolation mit einem hohen personellen wie finanziellen Mehraufwand getroffen werden. „Diese Patienten sind nicht covidkrank, aber es bedarf desselben Aufwands.“ Zudem sorgte dies für eine Verknappung der verfügbaren Betten, denn nicht wenige müssten in Einzelzimmern untergebracht werden, um Isolation wie Geschlechtertrennung zu gewährleisten.

Tatsächlich seien im Klinikum zum jetzigen Stand der Pandemie nur wenig schwerere covid-erkrankte Patienten. Es werde kein Patient beatmet, obwohl auch die covid-positiven Patienten auf der Intensivstation aufgrund der einzuhaltenden Insolationsbestimmungen einen wesentlich höheren Aufwand erforderten. Hinzu komme ein Umstand, mit dem man die vergangenen zwei Jahre nicht mehr konfrontiert war: „Ganz normale saisonale Erkrankungen wie Grippe nehmen wieder zu.“ Es gebe ja keine Kontaktbeschränkungen mehr, es würden kaum noch Masken getragen und Veranstaltungsräume seien regelmäßig gut frequentiert, macht Dr. Häuser deutlich. Diese Normalisierungen der Lebensrealität wirkten sich natürlich auch bei den Mitarbeitern aus. Der Anteil an covid-kranken Mitarbeitern sei gering, aber es gebe covid-positive Mitarbeiter, die aufgrund der mindestens Fünf-Tage-Quarantäneregelung daheim bleiben müssen und im Dienstplan ausfallen. „Heute traut sich auch kein Mitarbeiter mehr mit „Schnupfen“ an seinen Arbeitsplatz.“ Zusammen mit wieder neu auftretenden Erkältungsund Grippekranken verzeichne man höhere Erkrankungszahlen als man es zuletzt gewohnt war.

Pflegeberufe: Überdurchschnittlich viele fallen heraus

Häuser schickt eine weitere bekannte Beobachtung hinterher. Aus den Pflegeberufen wie auch anderen medizinischen Berufen fielen überdurchschnittlich viele Mitarbeiter heraus – sowohl der Alterspyramide geschuldet, weil sie in Ruhestand gehen, als auch Unzufriedenheit geschuldet, die sie in Teilzeit oder in andere Tätigkeiten abwandern lassen. Es fehle an Nachwuchs. Trotz Verknappung der Bettenzahlen werde aber nicht weniger Leistung eingefordert. „Zwei Jahre Dauerbelastung unter Covid bleiben nicht folgenlos.“ Im Gegensatz zu 2020 und 2021 seien in diesem Sommer auch hohe Inzidenzen in der Bevölkerung, damit auch bei Patienten und Mitarbeitern zu verzeichnen gewesen, mit den entsprechenden Quarantänemaßnahmen. „Und dadurch Ausfälle im regulären Klinikbetrieb. „Durchschnaufen“ im Sommer in den Kliniken? Fehlanzeige.“ Desweiteren haben laut Häuser die Kliniken Personalbelastungen für alle Berufsgruppen nebenbei zusätzlich zu stemmen, wie zum Beispiel hohen Digitalisierungsdruck mit Zeitvorgaben für Fördergelder. „Schon im Normalbetrieb sind das erhebliche Herausforderungen.“

Noch keine Station wegen Personalmangels dauerhaft geschlossen

Die Notaufnahme nehme zwangsläufig kontinuierlich viele Patienten auf. Die Belastung sei groß. Als Schwerpunktkrankenhaus bekomme das Klinikum über die Leitstelle auch viele Patienten zugewiesen, die speziell hier aufgrund der Fachdisziplinen versorgt werden müssen. Hinzu kämen jene, die von Hausärzten über die Notaufnahme eingewiesen werden. „Und die, die sich nur den Zeh gestoßen haben.“ Mit Letzterem umschreibt Häuser Patientenansprüche, die die Notaufnahme belasten, obwohl ihr Anliegen bei der Bereitschaftspraxis oder beim Hausarzt an der richtigen Adresse wäre.

Selbst wenn die Notaufnahme wegen Überlastung bei der Leitstelle abgemeldet sei, kämen diese ungefilterten Patienten und forderten Ressourcen und es komme zu Zwangseinweisungen durch die Leitstelle, da meist auch andere erreichbare Kliniken abgemeldet werden, zeigt Häuser ein Dilemma auf. Bisher habe das Klinikum noch keine Station wegen allgemeinen Personalmangels kontinuierlich schließen müssen, sagt der Ärztliche Direktor. In Nachbarstädten sei das bereits der Fall gewesen. Damit trete natürlich eine Verknappung von Bettenverfügbarkeiten ein, die zu einem vermehrten Belegungsdruck auf das voll funktionsfähige Klinikum Straubing führe. „Dennoch haben wir im Klinikum – gerade durch das standhafte Engagement vieler Mitarbeiter – noch eine sehr hohe Leistungsfähigkeit beibehalten können. Dennoch wird kontinuierlich an den Grenzen des personell Möglichen gearbeitet.“

Auch der vielzitierte „Pflegebonus“ habe nichts gebracht, ist Häusers Eindruck. Er sei einfach ungerecht. Manche Pflegekräfte erhielten viel, andere gar nichts. Nur wer direkt Coronapatienten betreut habe, komme zum Zug. Viele direkt und indirekt Beteiligte gehen leer aus. „Das birgt sozialen Sprengstoff und Ungerechtigkeiten, die letztlich auf die Arbeitgeber zurückfallen, die diese gesetzlichen Vorgaben umsetzen müssen“, so Häuser.

Momentan ist Bundes-Gesundheitsminister Karl Lauterbach auf allen Fernsehkanälen mit der Ankündigung der „größten Krankenhausreform seit 20 Jahren“ präsent. Dr. Häuser ist skeptisch. „Unausgegoren“ nennt er die bisherigen Ideen, soweit sie verlautbart wurden. Aus der Opposition heraus sei es einfach zu kritisieren, schaut er auf die vergangenen Jahre. Immer fehle es am Geld. Einen Rettungsschirm zum Beispiel bei Energiekosten gebe es für Krankenhäuser bislang nicht. Dazu kommen weitere erhebliche finanzielle Risiken. Mittlerweile auch Verluste durch zu verschiebende planbare Behandlungen, da Kapazitäten für die Notfallversorgung benötigt würden. Die betroffenen Patienten wanderten dann zwangsläufig ab in Krankenhäuser, die nicht an der Notfallversorgung beteiligt sind. Für das Haus ein wirtschaftlicher Verlust, zeigt er auf. Auch stünden Tarifverhandlungen und unter anderem Forderungen des Marburger Bundes zum Beispiel zur Ärzte-Arbeitszeit ohne Gegenfinanzierung im Raum.

Ausgleich für überbordend Bürokratie und steigende Energiekosten?

Und schließlich die Konfrontation mit der ständigen Forderung, mehr Mitarbeiter zu beschäftigen und baulich zu modernisieren. Nur von welchem Geld, wenn die Energiekosten um mehrere 100 000 Euro steigen? Nebenbei gelte es einen Medizincampus Niederbayern zu entwickeln und stationäre Behandlungen in ambulante Strukturen umzuwandeln, sagt Häuser. Zunehmende Bürokratisierung, Leistungsnachweise, Qualitätsanforderungen, Zertifizierungen, Dokumentationsverpflichtungen würden von den Krankenkassen gefordert, teilweise mit Strafzahlungen bei Fristverletzungen belegt. „Nur: Mit welchem Personal und welchem Geld soll der Mehraufwand geleistet werden?“

„Wir navigieren mit dem Schiff im Nebel von Problem zu Problem“, sagt Häuser. Er bedauert, dass bisher Politiker nicht den Mut hatten, die Bedingungen der Pandemie den Gegebenheiten der Wirklichkeit auch für Kliniken anzupassen. Er zeigt die surreale Situation auf: Masken würden noch in öffentlichen Verkehrsmitteln und Arztpraxen getragen und Mitarbeiter im Krankenhaus unterliegen der FFP2-Masken-Pflicht sowie Testpflichten. Die Durchseuchung der Gesellschaft sei mittlerweile hoch, die Durchimpfungsrate einschließlich Booster-Impfungen insbesondere der Risikogruppen nicht minder. Es gebe immer weniger schwerkranke Covid-Patienten oder tatsächlich covid-bedingte Belastung der Intensivstationen beziehungsweise Sterbefälle. „Die Verhältnisse verändern sich, hin zu einer Virus- Erkrankung wie andere auch. „Nur bei welcher Erkrankung testen wir im Rahmen von einer jetzt weitgehend stattgehabten Infektion der Gesellschaft, um asymptomatische Menschen zu identifizieren?“

Im öffentlichen Leben findet mittlerweile Normalität statt

Die Situation des Schutzes der Risikogruppen und die Vermeidung von schweren Erkrankungen im Rahmen der normalen Lebensrisiken seien in den vergangenen zwei Jahren – auch durch die Impfungen – erreicht worden, konstatiert Häuser. Zum Stichwort Oktoberfest vermisst er, dass je der extreme Anstieg der Inzidenzen differenziert worden wäre. Wieviele davon waren krank? Wieviele nur positiv? Angst vor Ansteckung ist, so sein Eindruck, im privaten Bereich kaum mehr spürbar. „Die Kneipen sind voll, die Theater, die Geschäfte. – Da findet Normalität statt.“ Er erinnert an etwas, was viele verdrängt haben: Die Impfpflicht, zu der Mitarbeiter im Gesundheitswesen verpflichtet worden sind. Sie laufe zum Jahresende aus und werde wohl stillschweigend beerdigt. Es liefen etliche Gerichtsverfahren von Pflegekräften gegen die branchenbezogene Impfpflicht – mit hohen Erfolgsraten. Dennoch sei – wie auch bei anderen vergleichbaren Viruserkrankungen – die Impfung der beste Schutz vor schwerer Erkrankung. Auch die Grippe-Impfung dürfe dabei nicht vergessen werden.

Impfpflicht im Gesundheitswesen bald still beerdigt

Fakt ist für Häuser: Die Krankenhäuser seien aktuell nicht voll mit Covid-Kranken, trotz Inzidenzen mit vielen covid-positiven Menschen. Aber die Auflagen im Gesundheitswesen insbesondere für Einsatz von Mitarbeitern beschränkten die eigentlich mögliche Leistungsfähigkeit besonders der Kliniken. Nur auf Landesebene würden einzelne Lockerungen von Infektionsschutzmaßnahmen wie aktuell jetzt in Pflegeheimen eingeleitet. Und nur weil der Winter bevorstehe, sollte man nicht nur schlechte Nachrichten verbreiten, findet Häuser. „Die Situation ist eine andere als in den vergangenen zwei Jahren.“ Eigentlich, sagt er, sollte die Botschaft sein: „Weil wir im Klinikum für Euch alle da sind, trotz der Covid-Pandemie, hat Straubing noch ein funktionierendes Krankenhaus.“


Info

Ärztlicher Direktor? Dahinter steht eine von drei Säulen der Klinikleitung: Management/Geschäftsführer, Ärztlicher Direktor und Pflegedirektor. Seine Aufgabe ist nicht nur Arztvertreter in der Direktion zu sein, sondern auch generell strategische Entscheidungen, Weiterentwicklung und Klinikbetrieb mitzuorganisieren und zu verantworten. Zudem ist laut Krankenhausgesetz der Ärztliche Direktor Endverantwortlicher in der Klinik für die Hygiene. Damit ist er grundsätzlich für die Organisation und Umsetzung der Infektionsschutzgesetze verantwortlich. Dr. Hannes Häuser ist seit 2016 Ärztlicher Direktor. Die Ordensleitung beruft auf jeweils vier Jahre in dieses Amt. Das Klinikum erlebt herausfordernde Zeiten.

Quelle: Monika Schneider-Stranninger, Straubinger Tagblatt, 05.11.2022

Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie