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Chef von Station 16
Marcel Löhnert ist, wenn er seine Prüfungen im Juni besteht, ausgebildeter Pflegefachmann. Doch sind er und seine Klassenkameraden schon dazu in der Lage, sich alleine um eine Station im Klinikum St. Elisabeth Straubing zu kümmern?
I. Patient nach Schlaganfall
Gehen – für die meisten Menschen etwas Selbstverständliches. Für den Patienten auf Station 16 nicht mehr. Nach einem Schlaganfall steht der Mann unsicher auf den Beinen. Marcel Löhnert hält ihn fest bei der Hand, ist seine Stütze. Der ältere Herr setzt konzentriert einen Fuß vor den anderen. Behutsam führt ihn der 21-Jährige aus dem Badezimmer zurück zu seinem Bett. Auf Station 16 im Klinikum St. Elisabeth sind Menschen mit neurologischen Problemen wie Epilepsie, Multipler Sklerose sowie mit Herzproblemen untergebracht.
Marcel streift die Schuhe des Mannes ab. Er faltet eine Bettdecke zusammen und legt die Beine des teils gelähmten Patienten darauf. Das ist wichtig, da er nach dem Schlaganfall Wasser in den Beinen hat. Dasselbe macht Marcel mit seinem linken Arm.
Genau im Blick hat ihn dabei Sandra Braumandl. Die Praxisanleiterin betreut Marcel bei „Schüler leiten eine Station“. Das Projekt gibt es seit dem vergangenen Jahr am Straubinger Klinikum. Dabei dürfen Schüler im dritten und damit letzten Ausbildungsjahr zur Pflegefachkraft zwei Wochen lang probeweise eine Station im Krankenhaus leiten. Die Pfleger halten sich in dieser Zeit zurück, damit die Schüler eine eigene Arbeitsweise entwickeln können.
„Sie sind hochmotiviert, weil sie Verantwortung bekommen“, erzählt Sandra Braumandl. Dabei sind die erfahrenen Pfleger offen für neue Strukturen. Das heißt: Wenn ein Schüler einen Ablauf findet, wie etwas besser funktioniert, sind sie nicht abgeneigt. „Gerade die junge Generation bringt frischen Wind. Und nur so entwickelt sich ein Haus weiter“, findet die Praxisanleiterin.
Der Patient auf Station 16 war nach dem Schlaganfall linksseitig gelähmt. Nun überprüfen Marcel und Sandra Braumandl, ob sein Körpergefühl langsam zurückkehrt. Dazu legt sie ihre Hand in die des Patienten: „Können Sie meine Hand drücken?“ Der Mann bemüht sich. „Super!“, ermutigt ihn Sandra Braumandl.
Für Pflegeberufe interessieren sich deutlich mehr Frauen. Das zeigt sich auch am Beispiel von Marcel: In seiner Klasse sind von 23 Schülern nur zwei männlich. Deshalb tummeln sich an diesem Tag im Pflegestützpunkt der Station 16 fast ausschließlich junge Frauen. Acht davon tragen – wie Marcel – ein lila Shirt, vier ein blaues. Was hat es damit auf sich?
Marcel ist heute für den Spätdienst eingeteilt. Der geht von 13 bis 21 Uhr. Die Frühschicht darf nun, es ist kurz vor 14 Uhr, nach Hause gehen. Wie hat sie sich geschlagen bei „Schüler leiten eine Station“? Die Auszubildende Elife berichtet, dass sie das erste Mal einen Krampfanfall miterlebt hat. Ursula Steinbach, ebenfalls Praxisanleitung, ermutigt Elife in ihrer Arbeit: „Nur ruhig bleiben, du kannst das!“
II. Patient mit Epilepsie
Nun erfährt Marcel, für welches Zimmer er heute zuständig ist. Der 21-Jährige übernimmt das von Elife – mit dem Patienten mit Krampfanfall. Eine Pflegerin schildert Marcel alle wichtigen Infos, der schreibt mit. Seine Aufgabe ist nun, nach dem Patienten zu sehen. Er geht an den PC im Pflegestützpunkt. Dort ist die Krankenakte des Mannes hinterlegt. Am Klinikum St. Elisabeth ist mittlerweile alles digital. Damit Marcel bei der Vergabe der Medikamente kein Fehler passiert, kontrolliert der 21-Jährige immer zweimal, bevor er etwas verabreicht.
Eine Aufgabe, die die Pflegefachkräfte ebenfalls am Computer machen müssen: die Dokumentation. In der werden all ihre Tätigkeiten genau festgehalten. Viele Pfleger finden das zu zeitaufwendig. Marcel hat allerdings kein Problem damit. Für ihn ist alles noch im Rahmen und am PC auch einfach zu erledigen.
Auf zum Patienten: Marcel und Sandra Braumandl betreten das Krankenzimmer. Die Praxisanleiterin versteht es, schnell eine lockere Stimmung herzustellen. „Wir haben gehört, Sie haben Hunger?“, fragt sie den älteren Patienten mit lauter Stimme. „Des is nix. Wenn ich Hunger hab’, dann bin ich auch nicht gut drauf“, sagt sie mit einem Zwinkern. „Hallo, ich bin Marcel“, stellt sich der Auszubildende vor und beugt sich über das Krankenbett. Der Patient, an Epilepsie erkrankt, kann ihm nur undeutlich antworten. Marcel fährt das Krankenbett hoch. Er misst Blutdruck und Temperatur. „Achtung, es wird kurz kalt.“ Marcel sprüht Desinfektionsspray auf seine Haut. „Nicht erschrecken, jetzt gibt’s gleich einen kleinen Pikser“, warnt er erneut und misst den Blutzucker des Patienten. Dann deckt er ihn wieder zu.
Als der 21-Jährige das Zimmer verlassen will, stoppt ihn Sandra Braumandl. Ob er nicht etwas vergessen habe? Marcel überlegt. Schnell fällt sein Blick auf den zweiten Patienten im Raum, für den er nicht zuständig ist. Eines seiner Kissen liegt auf dem Boden. Marcel hebt es auf. „Ein Rundum-Blick ist wichtig“, erinnert sie ihn.
II. Patient nach Herzinfarkt
Wenige Tage später. Marcel hat Frühdienst. Der beginnt um 6 Uhr und geht bis kurz vor 14 Uhr. Heute kümmert er sich um einen Mann, der einen Herzinfarkt hatte. Die Stimmung im Krankenzimmer ist gut. Sein Patient ratscht gerade mit dem Zimmergenossen, ebenfalls ein Herzinfarkt-Patient. An einem Monitor neben dem Bett überprüft Marcel anhand der bunten Linien Herzfrequenz, Blutdruck, Atemfrequenz sowie Sauerstoffsättigung des Blutes. Alles in Ordnung.
"Und, ist die Frau besorgt?“, fragt Marcel seinen Patienten. „Ach, de braucht ned besorgt sa“, entgegnet der ihm locker. Marcel überprüft die Braunüle im rechten Arm des Mannes. So heißt die Venenkanüle, mit der Infusionen ins Blut gelangen. Die Haut rund um den Einstich ist gerötet. Deshalb zieht Marcel die Kanüle heraus und drückt eine Kompresse darauf, um die Blutung zu stoppen. Dann noch ein Pflaster. Der Patient hofft, dass er bald auch von der zweiten Braunüle im anderen Arm befreit wird und nach Hause darf. Die Chancen dazu stehen gut.
Wie schlägt sich Marcel in diesem zweiwöchigen Praxistest? Sandra Braumandl ist sehr zufrieden: „Ich finde, dass er seine Arbeit nun viel besser strukturiert.“
Im Juni hat der Straubinger seine Abschlussprüfungen. Besteht er die, darf er das lila Shirt, das die Pflege-Schüler im Krankenhaus tragen, ablegen und in ein blaues schlüpfen – das der fertig ausgebildeten Fachkräfte.
Quelle: Kerstin Bauer, Freistunde-Ausgabe vom 31.05.2024
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Für die dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft im kommenden Schuljahr hat das Klinikum Straubing noch Plätze frei.
Weitere Infos unter:
Ausbildung zur Pflegefachkraft