Kontinenz- und Beckenbodenzentrum

Stuhlinkontinenz

Foto von Dr. Grumbeck mit Patientin

Das Verlieren von Stuhl kann durch mehrere Ursachen bzw. der Kombination mehrer Faktoren bedingt sein, wie z.B.

  • chronische Durchfälle (chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie M. Crohn oder Colitis ulcerosa, Reizdarmerkrankung, bei Strahlenschäden nach der Behandlung bösartiger Erkrankungen)
  • chronische Verstopfung mit einer sog. Überlaufinkontinenz, bei der sich der im Enddarm verbleibende Stuhl mit der Zeit verflüssigt und dann ausläuft  einer Beckenbodensenkung
  • einen Mastdarmvorfall
  • einer Verkleinerung des Fassungsvermögens des Enddarms (Tumor- oder Fisteloperationen, Weichteilrheuma, Druck von außen durch Beckentumore)
  • einer nervalen Störung der Mastdarmspeicherfunktion (nach Operationen, durch Diabetes)
  • einer Wahrnehmungsstörung im Analkanal (Verletzungen, Schlaganfall, Medikamente, angeboren, fortgeschrittenes Hämorrhoidalleiden)
  • Störung bzw. Verletzung des Schließmuskels (Geburtsverletzungen, Pfählungsverletzungen, anale Fisteln, Fisteloperationen, Mastdarm- oder Aftertumore, Muskelschwund im Alter)
  • Kombination aus z.B. Geburtsverletzung des Schließmuskels und jahrelanger Verstopfung mit daraus entstandener Sensibilitätsstörung

Welche Untersuchungen erwarten mich?

Vorerst wird ein Arzt mit Ihnen ein ausführliches Gespräch über Ihre Ernährungsgewohnheiten und ihr Stuhlverhalten sowie Ihren Problemen führen. Gut wäre es, wenn Sie schon vor der Untersuchung für etwa 3-4 Tage aufzeichnen, welche Lebensmittel Sie um welche Uhrzeit zu sich nehmen und wie stark und oft hiernach der Stuhlverlust ist (z.B. Anzahl der verbrauchten Inkontinenzeinlagen/ Windeln).

Zudem wird Sie der Arzt fragen ob Sie an irgendwelchen sonstigen Erkrankungen leiden, welche Operationen Sie eventuell bereits hatten und welche Medikamente Sie zu sich nehmen.

Bei der anschließenden Untersuchung wird zunächst auf Intaktheit, Kraft, Entspannung sowie Koordination des Beckenbodens geachtet. Zudem wird bei Frauen mitbeurteilt ob es zu einer Senkung des Beckenbodens und des Enddarmes gekommen ist. Danach erfolgt eine Untersuchung des Enddarmbereichs durch Austasten des Analkanales und mit Hilfe eines Proktoskops sowie ggf. Spiegelung des Mastdarms (Proktoskopie /Rektoskopie), u.a. auch zur Beurteilung der Hämorrhoiden oder eines beginnenden Mastdarm- / Enddarmvorfalls. Zur besseren Beurteilung der anatomischen Gegebenheiten wird ggf. auch eine Ultraschalluntersuchung des Enddarmes (Endosonographie) durchgeführt.

In speziellen Fällen erfolgt eine Untersuchung der Mastdarm- und Enddarmfunktion bzw. der Stuhlentleerung mittels einer Kernspintomographie -/ MRT- Defäkographie, bei der die Darmentleerung mit Hilfe eines Kontrastmittels sichtbar gemacht wird. So kann man u.a. eine Ausstülpung des Mastdarms Richtung Scheide (Rektozele), eine Einstülpung in den Mast-/Enddarm (Intussuszeption) oder einen Mastdarmvorfall feststellen.


Welche Therapieoptionen bestehen?

Wie auch bei der Harninkontinenz sollten immer zunächst konservative Maßnahmen erfolgen, die auch sehr häufig bereits zu einer deutlichen Symptomverbesserung führt. Meist wichtigste Maßnahme ist hier die Stuhlregulierung durch eine Ernährungsumstellung und medikamentös: z.B. Stuhleindicken mit indischen Flohsamenschalen oder Loperamid, gezielte Enddarmentleerung mittels Lecicarbonzäpfchen oder Klistiere. Zudem ist ein intensives Beckenbodentraining unter professioneller Anleitung eines Physiotherapeuten wichtig. Ggf. kann auch eine transanale Irrigation ungewollten Stuhlverlust verhindern, bei der der Darm durch regelmäßige Einläufe gezielt täglich entleert wird. Diese Therapieansätze nehmen Zeit und Geduld in Anspruch, sollten aber vor einem operativen Eingriff immer versucht werden.


Gibt es auch Medikamente welche die Symptome lindern?

Die Konsistenz des Stuhls und die Darmtätigkeit kann durch die Gabe von Medikamenten beeinflusst werden und damit eine Verbesserung der Symptomatik hervorrufen (s.o.). Im Notfall kann auch das Einführen von Analtampons oder Inkontinenz-Plugs in den Enddarm ungewollten Stuhlverlust verhindern, was allerdings häufiger zu einer zusätzlichen Reizung des Analkanals führen kann. Wichtig sind in jedem Fall die Anwendung einer sorgfältigen Analhygiene mit Hautschutz (z.B. Zinkpaste) und Trockenhalten der Analregion (weiche saugstarke Einlagen).


Welche Operationsverfahren stehen zur Verfügung?

  • Je nach Ursache der Stuhlinkontinenz, Ausprägung der Symptome und Leidensdruck können bei Versagen der konservativen Behandlung unterschiedlichste Operationsverfahren erfolgen. Wichtig hierfür ist die sorgfältige Befragung und Untersuchung. Hier eine kleine Übersicht möglicher Operationsmethoden:
  • Unterschiedliche Hämorrhoidenoperationen bei vergrößerten Hämorrhoiden mit Störung der Feinkontinenz
  • Diverse Operationsmöglichkeiten einer Intussuszeption / einer Rektozele und eines Mastdarmvorfalls mit Resektion des Vorfalls vom After aus bzw. ggf. über einen Bauchzugang (minimal-invasiv als Bauchspiegelung oder offen über einen Bauchschnitt)
  • Operative Verfahren zur Wiederherstellung des Schließmuskels (Sphinkterrekonstruktion) bei z.B. Geburtsverletzungen oder bei Fisteln ggf. in Kombination mit einer Raffung des Schließmuskels 
  • Sakrale Neurostimulation („Schrittmacher“): hierbei werden unter Röntgenkontrolle Elektroden in den Bereich der Sakralnerven implantiert und mit einem Impulsgeber werden die Sakralnerven so stimuliert, dass sich der Schließmuskel zusammenzieht und oft auch die benach barte Beckenbodenmuskulatur verbessert.
  • In sehr seltenen Fällen Ersatz des Schließmuskels mit einem künstlichen Schließmuskel
  • Als eine (letzte) Möglichkeit darf auch die Anlage eines künstlichen Darmausgangs (Stoma / Anus praeter) nicht unerwähnt bleiben. Auch wenn dies oft erschreckt, gewinnen manche Patienten nach langem Leidensweg durch die guten Versorgungsmöglichkeiten eines künstlichen Darmausgangs gute Lebensqualität zurück! Sie sehen, es gibt viele Möglichkeiten, das Leiden einer Inkontinenz zu lindern. Aber es braucht Mut, das Tabu zu brechen, über Inkontinenz zu sprechen und sich der Krankheit zu stellen. Sie haben den ersten Schritt getan und sich informiert. Unsere Beckenbodenfibel erhebt natürlich nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und ersetzt keinesfalls eine persönliche ärztliche Vorstellung.