II. Medizinische Klinik - Innere Medizin, Kardiologie, Konservative Intensivmedizin, Angiologie

„Zurück in den Takt“

(14.11.2022)

Das Straubinger Tagblatt im Gespräch mit Kardiologe Prof. Dr. Sebastian Maier zu den von der Deutschen Herzstiftung ausgerufenen Herzwochen. Thema: „Vor schweren Folgen von Vorhofflimmern bewahren“

Turbulenzen im Herz thematisieren alljährlich die von der Deutschen Herzstiftung im November ausgerufenen Herzwochen. Vorhofflimmern als häufigste Herzrhythmusstörung ist heuer Thema. In Deutschland leiden bis zu zwei Millionen Menschen daran. Es kann dramatische Folgen haben – bis hin zum Schlaganfall. In nichtpandemischen Zeiten haben und hätten Straubinger Kardiologen - von Klinikum wie niedergelassene - bei einer Veranstaltung informiert. Stattdessen haben wir stellvertretend mit Prof. Dr. Sebastian Maier, Chefarzt der Kardiologie am Klinikum, darüber gesprochen, was das Herz aus dem Takt bringt und wie es wieder in den Takt kommt.

Wie kann man dem medizinischen Laien erklären, was Vorhofflimmern bedeutet?

P ro f . S e b a s t i a n Ma i e r : Bei Vorhofflimmern kreisen in den Herzvorhöfen unregelmäßige elektrische Erregungswellen, die zu einer Vorhoffrequenz von 120 bis 160 Schlägen pro Minute und mehr führen können. Aufgrund der unregelmäßigen und sehr schnellen elektrischen Aktivierung schlagen die flimmernden Herzvorhöfe nicht mehr koordiniert, sie „zittern“ nur noch. Das Blut staut sich in den Vorhöfen und es wird nicht mehr genügend Blut weitertransportiert. Darunter leidet der gesamte Kreislauf. Zudem bilden sich kleine Blutgerinnsel, besonders häufig in einer Ausbuchtung im linken Vorhof, dem sogenannten Herzohr.

Es heißt, man sei damit unter anderem schlaganfallgefährdet. Was ist die Gefahr dabei?

P ro f . Ma i e r : Ja, das stimmt. Werden diese Gerinnsel ausgeschwemmt und gelangen mit dem Blutstrom beispielsweise in den Kopf, können sie ein Hirngefäß verstopfen und es kommt zum Schlaganfall. 20 bis 30 Prozent aller Schlaganfälle gehen auf Vorhofflimmern zurück. Aber, solche Gerinnsel können prinzipiell in jedes Organ geschwemmt werden und auch dort einen Gefäßverschluss verursachen und einen Gewebeuntergang verursachen. Es kann zum Darminfarkt, Milzinfarkt oder sogar zu einer Minderversorgung von Armen, Händen oder Beinen kommen. Gerinnungshemmer, Medikamente, die die Blutgerinnung einschränken, oder ein kardiologischinterventioneller Vorhofohrverschluss können vor einer Gerinnselbildung und somit zum Beispiel auch vor Schlaganfall schützen.

Rauchen, Alkohol, Stress und Schlafentzug

Woher kommt denn Vorhofflimmern? Gibt es Risikogruppen?

P ro f . Ma i e r : Das Risiko des Einzelnen für Vorhofflimmern steigt prinzipiell mit dem Alter, die Häufigkeit liegt bei Menschen unter 50 Jahren deutlich unter ein Prozent, bei den über 60-Jährigen bei vier bis sechs Prozent und bei den über 80-Jährigen bei neun bis 16 Prozent. Daneben gibt es viele Risikofaktoren, die das Auftreten von Vorhofflimmern begünstigen können: Bluthochdruck, Herzschwäche (Herzinsuffizienz), Koronare Herzkrankheit (KHK), Herzklappenerkrankungen, Zuckerkrankheit (Diabetes), Übergewicht, Schilddrüsenüberfunktion, chronische Lungenerkrankung (COPD), Obstruktives Schlafapnoesyndrom, das mit nächtlichen Atemaussetzern einhergeht, chronische Nierenerkrankungen und (übermäßiger) Alkoholkonsum. Selbst mäßiger Konsum von „nur“ etwa einem Achtel- Liter Wein oder einem kleinen Bier (0,33 Liter) pro Tag kann bereits Vorhofflimmern auslösen. Darüber hinaus fördern Schlafentzug, extremer Stress und Störungen des Salzhaushalts (Elektrolyte) mit einem Mangel an Kalium und Magnesium das Entstehen von Vorhofflimmern.

Ist es eine Volkskrankheit?

P ro f . Ma i e r : Ja, es ist auch als Volkskrankheit anzusehen.

Ausdauertraining und gesunde Ernährung

Kann man dagegen vorbeugen oder als Betroffener mit seiner Lebensweise beitragen, die Erkrankung in Schach zu halten? P ro f . Ma i e r : Wer konsequent gesund lebt, kann sein persönliches Risiko für Vorhofflimmern reduzieren, oder ein Fortschreiten der Rhythmusstörung bremsen. Ausdauertraining von 150 bis 300 Minuten die Woche bei moderater Belastung (zum Beispiel Joggen, Radfahren, Walking, Schwimmen, Ergometertraining), Abnehmen bei Übergewicht, gesunde Ernährung (mediterran und salzarm) und Rauchverzicht (Rauchen begünstigt Gefäßablagerungen und ist somit ein Hauptrisikofaktor für alle Herzund Gefäßerkrankungen) können dazu beitragen das Risiko zu reduzieren und den Verlauf zu bremsen. Das Gute am körperlichen Training ist, dass sich damit effizient gleich mehrere Risikofaktoren für Vorhofflimmern und andere Herzerkrankungen positiv beeinflussen lassen, insbesondere: Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes mellitus. – Und noch ein Tipp: Wer sich mit der Umstellung zu mehr Bewegung und herzgesunder Ernährung nicht so leichttut, kann auch auf digitale Hilfsmittel, zum Beispiel Wearables, Fitnessuhren oder Apps wie beispielsweise die HerzFit-App der Herzstiftung zurückgreifen.

Wie wird Vorhofflimmern diagnostiziert ?

P ro f . Ma i e r : Bei Vorhofflimmern spüren Betroffene tückischerweise zu Anfang häufig nichts. Häufig bemerken sie erst, wenn das Vorhofflimmern über Tage und Wochen andauert, eine allgemeine Leistungsschwäche beziehungsweise Herzstolpern. Das ist oft verbunden mit innerer Unruhe und Angst, einem unregelmäßigen und beschleunigten Puls, einer Neigung zu schwitzen, Luftnot bei Belastung, Leistungsschwäche, Schwindelattacken, Schmerzen in der Brust, kurzzeitiger Bewusstlosigkeit. Bei diesen Symptomen sollte man den Arzt aufsuchen. Dieser kann mit einem EKG klären, ob das Herzstolpern nur eine harmlose Unregelmäßigkeit ist oder ob Vorhofflimmern vorliegt.

Ziel vor allem, Schlaganfall vorbeugen

Und was kann man für Therapien anbieten?

P ro f . Ma i e r : Wichtigste Ziele der Behandlung sind Schlaganfall- Vorbeugung, Linderung der Beschwerden und Behandlung der Risikofaktoren und Begleiterkrankungen. Aufgrund der möglichen Gerinnselbildung mit möglichen schwerwiegenden Folgeschäden gehört eine dauerhafte Antikoagulation (Blutverdünnung) bei den meisten Patienten zur Basistherapie. Kann diese aufgrund von Unverträglichkeiten oder Blutungskomplikationen nicht dauerhaft durchgeführt werden, gibt es auch die Möglichkeit, das Vorhofohr kardiologisch- interventionell zu verschließen. Dabei wird mittels Herzkatheter ein „Stöpsel“ (Okkluder) in das linke Herzohr eingebracht, der dieses verschließt und sich dadurch keine Gerinnsel mehr bilden können. – Zu unterscheiden ist die Akuttherapie von der langfristigen Behandlung.

Akut, also im Notfall, gilt es, eine möglicherweise zu schnelle oder zu langsame Herzfrequenz zu kontrollieren, und idealerweise den normalen Herzrhythmus, den sogenannten Sinusrhythmus, wiederherzustellen. Das gelingt meist medikamentös oder mit einer sogenannten Elektrokardioversion. Dabei wird angestrebt, mit einem Stromimpuls (in Narkose) von außen den Sinusrhythmus wiederherzustellen. – Bei der langfristigen Behandlungsstrategie ist der Erhalt des Sinusrhythmus, die Herzfrequenzkontrolle und das Verhindern von Gerinnseln das Ziel. In der Regel wird mit einer medikamentösen Therapie begonnen. Dabei spielen spezielle Antiarrhythmika aber auch Betablocker und Digitalispräparate eine Rolle. Wenn sich trotz der Behandlung der normale Herzrhythmus nicht oder nicht dauerhaft wiederherstellen lässt und Beschwerden wie Atemnot, Herzrasen, Leistungsschwäche fortbestehen, ist eine Katheterablation, eine Verödungstherapie im Herzen, eine Alternative.

Und wie sind da die Erfolgsaussichten?

P ro f . Ma i e r : Inzwischen gibt es Studien, die nahelegen, dass die Ablation der Behandlung mit Rhythmusmedikamenten überlegen ist, insbesondere jüngere Patienten mit anfallsartigem Vorhofflimmern können davon profitieren. Die Erfolgschancen der Ablation, die sicher, jedoch nicht komplikationsfrei ist, werden durch den Schweregrad der Herzkrankheit des Patienten, die Dauer des Vorhofflimmerns und auch durch die Erfahrung des Zentrums, das die Ablation durchführt, bestimmt. Erfolgsquoten von bis zu 90 Prozent bei Patienten mit anfallsartigem Vorhofflimmern ohne Herzerkrankung sind oft nur zu erreichen, wenn die Ablationsprozedur ein- oder zweimal wiederholt wird.

Haben Sie den Eindruck, dass mit zurückgedrängter Pandemie wieder mehr Menschen rechtzeitig ein Krankenhaus aufsuchen oder ist immer noch spürbar, dass Menschen Krankenhäuser scheuen und womöglich spät oder zu spät Hilfe holen bei etwas so Ernstem wie Vorhofflimmern/ Schlaganfall?

P ro f . Ma i e r : Mein Eindruck ist ein subjektiver. Insgesamt ist das Notfallaufkommen in unserer Chest-Pain-Unit (CPU) beziehungsweise im Notfallzentrum am Klinikum aus meiner Sicht wieder gestiegen. Dies mag aber auch damit zusammenhängen, dass sich insbesondere nach der zurückliegenden Phase der Pandemie die Versorgungskapazitäten regional, aber auch überregional verändert haben und deshalb mehr Patienten zu uns nach Straubing kommen. Prinzipiell ist festzuhalten: Wer schwerwiegende Symptome wie bei einem Schlaganfall (zum Beispiel Lähmungserscheinungen, Verluste der Sprache, Bewusstseinsstörungen) oder Luftnot oder Herzrasen verspürt, der sucht in der Regel einen Arzt auf – ob mit oder ohne Pandemie. Schwieriger ist es bei Betroffenen mit milden Symptomen. Geht man etwa mit einer reduzierten Leistungsfähigkeit, mit etwas dicken Beinen oder Herzstolpern zum Hausarzt? Diesbezüglich müssen die Menschen sensibilisiert werden und mehr auf sich und ihre Gesundheit achten. Denn eines ist klar: Es gibt nicht nur Corona – auch die anderen gesundheitlichen Herausforderungen unserer Zeit sind weiterhin vorhanden und müssen angegangen werden.

Interview: M. Schneider-Stranninger Prof. Dr. Sebastian Maier, Chefarzt der Kardiologie am Klinikum, ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung.


Jeder kann dazu beitragen, dass sein Herz nicht aus dem Takt oder wieder in den Takt kommt: Zum Beispiel mit Bewegung, gesunder Ernährung und ausreichend Schlaf. Fotos: Rolf Vennenbernd/Ella Ollson/GettyImages Kostenloses Infomaterial der Herzstiftung Wie schon 2021 hat Elke Mehr, ehrenamtliche Beauftragte der Deutschen Herzstiftung in Straubing, mit Wohlwollen der Stadt und der Kardiologie am Klinikum einen Infotisch in der Stadtbibliothek im Salzstadel (2. Stock) zum aktuellen Thema der Herzwochen aufgebaut. Dort sind den ganzen Monat über Broschüren präsent über Herzerkrankungen, Diagnose, Therapie und aktuelle Forschung. Auch Tipps, was jeder selber zur eigenen Herzgesundheit beitragen kann. Alles für den medizinischen Laien verständlich aufbereitet. Kostenlos zum Mitnehmen, während der regulären Öffnungszeiten der Bibliothek. Davon begeistern konnte Elke Mehr auch die Bibliothek der Pfarrei St. Josef, wo jetzt ebenfalls Infomaterial aufliegt. 

Quelle: Monika Schneider-Stranninger, Straubinger Tagblatt, 12.11.2022

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