I. Medizinische Klinik - Innere Medizin, Gastroenterologie, Diabetologie, Endokrinologie, Rheumatologie, Infektiologie

Im Urlaub Entwicklungshilfe in Nepal

(08.01.2020)

Prof. Dr. Weigert brachte auch dieses Jahr wieder in seinem Urlaub Ultraschall- und Endoskopiediagnostik in die entlegensten Gebiete des bitterarmen Nepals.

Mit im Gepäck war Endoskopiezubehöhr, das im Klinikum Straubing nicht mehr eingesetzt wird. Für diese logistische Unterstützung dankt Professor Weigert dem Geschäftsführer Dr. Scheu. Über das mitgebrachte Material aus dem Klinikum haben sich die Ärzte und Endoskopieschwestern am Dhulikhel-Hospital in der Nähe der Hauptstadt Kathmandu sehr gefreut.

Professor Weigert setzt zusammen mit mehreren befreundeten Kollegen das Werk seines einstigen medizinischen Lehrers, der weltweit anerkannten Koryphäe Prof. Meinhard Classen fort, der im Herbst verstorben ist. Als Direktor der II. Medizinischen Klinik der TU München war er ein Pionier der interventionellen Endoskopie, langjähriger Präsident der gastroenterologischen Weltorganisation und  Gründer der Stiftung Gastroenterology Foundation.

Lesen Sie nachfolgend den Artikel des  Straubinger Tagblatts.

Neun Tagesmärsche bis zum Krankenhaus

Prof. Norbert Weigert vermittelte zwei Wochen in Nepal medizinisches Fachwissen

Gerade ist Prof. Dr. Norbert Weigert, Chefarzt der I. Medizinischen Klinik am Klinikum St. Elisabeth, eine Gastprofessur in Nepal angeboten worden. Das ehrt ihn sehr, auch wenn es zeitlich nicht machbar ist. Die Ehre kommt allerdings nicht von ungefähr. Prof. Weigert ist dauerhaft Mitglied der Nepal-Projektgruppe der Gastroenterology Foundation e.V. unter Vorsitz von Prof. Dr. Hans-Dieter Allescher vom Klinikum Garmisch-Partenkirchen. In dem Team haben sich 14 renommierte Fachärzte aus ganz Deutschland und der Schweiz zusammengetan. Ihre gemeinsame Mission: Hochqualifizierte medizinische Hilfe im Bereich der Gastroenterologie zu den Ärmsten der Armen zu bringen.

Nach Nepal, wo die Hälfte der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebt. Wo die medizinische Versorgung wie die hygienischen Verhältnisse weitgehend katastrophal sind. Wo es keine Krankenversicherung gibt, Patienten alles aus eigener Tasche zahlen müssen und in ihrer Not deshalb oft mehr auf die mindestens fragwürdige, auf jeden Fall aber billigere Heilkraft von Schamanen denn auf die Schulmedizin setzen. Wo zehn Prozent der Neugeborenen schon im ersten Lebensjahr sterben. Wo ein Arzt 12000 Patienten versorgen muss und auf ein Krankenbett statistisch 3900 Patienten warten.

Rat für komplizierte Falle eingeholt

Eben hat Prof. Weigert zwei Wochen am Dhulikhel Hospital nahe Kathmandu verbracht - das zweite Jahr in Folge hat er seinen Urlaub investiert und Anreise und Aufenthalt für sich und seine Frau aus eigener Tasche finanziert. Es wurden ihm wiederum heikle internistische Falle zur Abklärung der Therapie vorgestellt. Vor allem aber hat er Workshops zu Ultraschall- und Endoskopie- Diagnostik und -therapie für einheimische Arzte und Krankenpfleger gegeben. Zehn Jahre existiert das Endoskopie-Trainings-Center in dem Hospital bereits, eine Initiative aus dem Projekt der deutschen Gastroenterologen.

Das Hospital sei aufgrund des zehn Jahre währenden Engagements der Ärztegruppe zum „konkurrenzlosen Referenzzentrum für invasive Endoskopie in Nepal“ geworden. Ziel sei, endoskopische und Ultraschall-Diagnostik auch in den entlegensten Gegenden des bitter armen Landes verfügbar zu machen. Im Projekt ausgebildete Ärzte bauten gerade drei weitere endoskopische Zentren auf. Der Hintergrund: Gallensteine sind eine bisher ungeklärte nepalesische Volkskrankheit, mit einem zehnmal häufigeren Auftreten als in Deutschland. „Auch junge Leute und sogar Kleinkinder sind betroffen.“

Mit Kollege Dr. Ram Gurung, der ihm mittlerweile ein guter Freund geworden ist, hat Prof. Weigert wahrend dieses Aufenthalts die erste Gallengang-Spiegelung überhaupt in Nepal durchgeführt. Es gebe hier jetzt auch die technischen Voraussetzungen, um Gallensteine zu zertrümmern und Krebserkrankungen des Gallengangs angemessen zu behandeln.

Prof. Meinhard Classen wird regelrecht verehrt

Die Idee ist dem Straubinger Chefarzt schon lange durch den Kopf gegangen: Sein medizinisches Fachwissen in einem caritativen Projekt in einem Entwicklungsland einzusetzen. Die von Prof. Meinhard Classen, seinem einstigen medizinischen Lehrer und Mitbegründer der Felix-Burda-Stiftung, gegründete Gastroenterologen-Projekt war da der Fingerzeig. Classen ist diesen Herbst 83-jahrig verstorben. „Er wird in Nepal geradezu verehrt.“ Mit Fug und Recht.

Kontinuität spiele in der ärztlichen und pflegerischen Ausbildung vor Ort eine tragende Rolle. Die Arzte vermitteln Wissen, das dann in der Praxis eingesetzt wird, überzeugen sich regelmäßig von den Standards, achten auf die Wartung der gespendeten Gerate und arbeiten mit den geschulten einheimischen Fachkräften vor Ort an deren weiterer Spezialisierung. Der erreichte Standard am Dhulikel Hospital sei bemerkenswert, versichert Prof. Weigert. Die Motivation der Mitarbeiter nicht minder, seine mitgebrachten Fotos zeigen ihn jeweils umringt von einer Menschen-Traube. Er habe höchsten Respekt vor den nepalesischen Kollegen. Auch die Freundlichkeit, Gastlichkeit und Genügsamkeit der Menschen hier hat ihn beeindruckt, nicht minder Anerkennung, Respekt und Dankbarkeit, die man in Nepal als Arzt oder Pflegekraft von den Patienten erfahre. „Das spornt an.“

Materialien unter sterilen Bedingungen aufbereitet

Bei seiner Rückkehr ist Weigert neuerlich bewusst geworden „in welchem Überfluss wir leben und in welchem Überfluss wir Medizin machen“. Umso mehr schätzt er deshalb die Bereitschaft des Klinikums St. Elisabeth, ihm ein großes Paket mit Endoskop-Zubehör mitzugeben, das bei der Jahresinventur ausgemustert wurde. „Wir dürfen es aufgrund unserer Vorgaben nicht mehr verwenden, obwohl es völlig in Ordnung ist. In Nepal werden solche Materialien unter sterilen Bedingungen wiederaufbereitet.“

Imponiert hat Weigert die neuerliche Begegnung mit Prof. Dr. Ram Shresta, dem Gründer des Dhulikel Hospitals. „Ein begeisternder Mensch.“ Shresta sei dort als eines von sieben Kindern eines Reisbauern geboren. Als er als Siebenjähriger seine Mutter verlor, habe er den Entschluss gefasst, Arzt zu werden. Er hat es geschafft. Als einer der besten Abiturienten in Nepal erhielt er ein Stipendium, studierte in Wien Medizin und erwarb den Facharzt für Chirurgie. Inzwischen mit einer Österreicherin verheiratet und Vater einer Tochter, fasste er den Entschluss, mit seiner Familie zurück nach Nepal zu gehen. Seine Vision: Eine bessere medizinische Versorgung seiner Heimat. Für Weigert nebenbei ein überzeugendes Beispiel, „wie Entwicklungshilfe funktionieren müsste - nämlich durch Bildung.“ Vor allem für Mädchen sei das noch sehr ausbaufähig.

Die begeisternde Vision des Ram Shresta

Ohne staatliche Hilfe hat Prof. Ram Shresta innerhalb von zwei Jahren ein Krankenhaus gebaut. 1996 wurde es eröffnet. Es ist einfach und zweckmäßig, aber mit allen notwendigen Einrichtungen versehen, unter anderem mit der ersten biologischen Abwasserkläranlage Nepals und einem 70.000 Liter fassenden Wasserreservoir. Die Gemeine Dhulikel stellte dafür ein Grundstück zur Verfügung. 22 Reisbauern, darunter sein eigener Vater, überließen ihm gegen eine geringe Leibrente ihre benachbarten Felder. Das Geld zum Bau stammt laut Weigert ausschließlich von Freunden und Gönnern in Osterreich. Das Krankenhaus sei heute in der Lage, den Gesundheitsdienst für die Bevölkerung in einem großen Einzugsgebiet zu sichern. Kranke Menschen nahmen mit ihren Familien oft bis zu neun Tagesmärsche auf sich, um hier Hilfe zu erfahren. Nicht wenige sterben unterwegs. Die Patienten werden laut Weigert von Verwandten begleitet, oft bis zu fünf Personen, die den Kranken „pflegerisch wie verpflegend versorgen müssen“. Die üblichen Schlafsäle zählten 20 Betten.

Behandlung für Ärmste finanzierbar machen

Neben Ambulanz, Notfalldienst, stationärer Behandlung, Labor und Apotheke hält das Krankenhaus Diagnostik und Ausbildung von Sanitätspersonal sowie Schwangerschaftsberatung vor. Es gehört zur medizinischen Fakultät der Universität Kathmandu. Zu Shrestas Visionen gehöre, dass jede Behandlung auch für die Ärmsten bezahlbar sein muss. Ein simpler gestaffelter Zahlungsmodus mache das möglich: Wer viel hat, zahlt mehr. Parallel dränge Shresta auf den Aufbau eines Versicherungs- und Pensionssystems für Nepal.

Weiterhin sei das Krankenhaus auf Hilfe aus dem Ausland angewiesen. Wohnhäuser für Ärzte und Schwestern seien im Bau und medizinische Geräte, Betten, Allradfahrzeuge und medizinische Hilfsmittel wurden dringend benötigt. Denn die Lebensumstände in Nepal seien karg. Es gebe kaum passable Straßen. Müll werde einfach am Straßenrand verbrannt. Und obendrein vermittelten die Einheimischen sorgenvoll, dass ihre Gletscher und damit ihr Wasserreservoir immer weiter schmelzen. „Der Klimawandel ist für jedermann sichtbar.“

„Ich habe die tiefe Überzeugung, dass ich mit meinem Einsatz etwas Gutes tue“, sagt er, für den das Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ die best-angelegte Hilfe darstellt. Der Termin für seinen dritten Nepal- Einsatz im November 2020 steht schon. Und im neuen Jahr gebe es auch die Option eines Gegenbesuchs aus Nepal. Mehrere Endoskopie-Schwestern, so der Plan, können ihren Kolleginnen am Straubinger Klinikum bei der Arbeit über die Schulter schauen. 

Info: Wer die Gastroenterology Foundation e.V. unterstützen will, kann auf das Konto bei der HypoVereinsbank Munchen spenden, IBAN DE 09 7002 0270 4410 2196 33, BIC HYVE DEMM XXX. Nahere Informationen unter www.gastro-foundation.org

Quelle: Monika Schneider-Stranninger, Straubinger Tagblatt, 24.12.2019