I. Medizinische Klinik - Innere Medizin, Gastroenterologie, Diabetologie, Endokrinologie, Rheumatologie, Infektiologie

„Abteilung in gute Hände abzugeben“

(23.01.2023)

Privatdozent Dr. Rainer Keerl, 21 Jahre lang Chefarzt der HNO-Klinik am Klinikum, tritt Ende Januar in den Ruhestand. Er bleibt überzeugter Straubing-Kultur-Fan

Straubing ist ihm in den vergangenen zwei Jahrzehnten ans Herz gewachsen, sagt Privatdozent Dr. Rainer Keerl. Das ist alles andere als eine Floskel. Der gebürtige Düsseldorfer mag es, über den Stadtplatz zu gehen und viele Leute zu kennen. Außerdem ist Keerl überzeugter Anhänger des Straubinger Kulturlebens. „Wenn man will, kann man sich jedes Wochenende hochkarätig unterhalten lassen“, schwärmt er vom Landes- und Paultheater, vom Figurentheaterfestival, von den Konzertfreunden, von Rivertone, dem Raven („da fühle ich mich wie 18“) bis hin zu Utopia und Stadtbibliothek. Und das alles ohne Parkplatzproblem, sagt der ehemalige Großstädter, der daran entspanntere Maßstäbe ansetzt als viele Einheimische.

Seit 2001 ist Keerl Chefarzt der HNO-Klinik am Klinikum St. Elisabeth. Das Krankenhaus hat ihn damals voll überzeugt. Hell, freundlich, lichtdurchflutet hat er es empfunden, erinnert er sich, umso mehr als er bis dahin in Krankenhaus-Altbauten in anderen Bundesländern tätig war. Zum Monatsende tritt Keerl, der zwei Amtszeiten Ärztlicher Direktor war, in Ruhestand. Über 21 Jahre hat er geräuschlos eine Abteilung geführt, die als einzige HNO-Klinik in Niederbayern ein entsprechend großes Einzugsgebiet hat. Wir schauten mit ihm zurück und voraus.

Ehefrau die Wichtigste im Team Keerl

Für die Region eingenommen hat ihn damals, dass seine Frau gebürtige Regensburgerin ist und es sie zurück in die Heimat gezogen hat. Seine Frau sei sein Niederbayern-Coach gewesen, sagt er lachend. Sie habe ihn all die Jahre begleitet und unterstützt – in guten und in schlechten Zeiten. Sie sei die Wichtigste im Team Keerl. „Team, Team, Team“ ist seinen Augen ohnehin das Erfolgsrezept eines Chefarzts. „Ich hatte großes Glück mit meinem Team.“ Qualität hängt in Keerls Verständnis auch mit Kontinuität zusammen. „Es sind noch Mitarbeiter hier aus meiner Anfangszeit. Das ist unschätzbar.“ Froh ist er über den Kauf des Krankenhauses durch die Barmherzigen Brüder. Es sei nicht an „Heuschrecken“ gegangen.

Arbeitsverdichtung und Universitäts-Status

Sein Vorgänger Prof. Rainer Langnickel habe die einstige Belegabteilung zu einer Hauptabteilung ausgebaut, würdigt Keerl. Jetzt stehe man davor, universitär zu werden als Teil des Medizincampus Niederbayern. „Es freut mich, dass das Klinikum und vor allem auch die HNO als eine zentrale Sparte mit Alleinstellungsmerkmal in diese Liga aufsteigt.“ Keerl ist Verfechter der Idee eines Medizincampus Niederbayern. Dass der Freistaat mit Weitblick in mehr Medizinstudienplätze in Augsburg und Niederbayern viel Geld investiere, werde sich auszahlen, ist er überzeugt. Menschen von hier seien bodenständig, sie wollten vielfach heimatnah studieren und nach abgeschlossener Medizinerausbildung auch hier praktizieren. Genau das sei das Ziel.

Die Entwicklung von zwei Jahrzehnten HNO? Rainer Keerl nennt ein Schlagwort – „Arbeitsverdichtung“. In der Ära Langnickel habe die Abteilung 58 Betten und 2 000 Patienten pro Jahr bilanziert. Heute habe sie 40 Betten und 3 300 Patienten pro Jahr. Die Verweildauer habe sich deutlich verkürzt, die Belastung fürs Personal sei umso größer geworden. Es mache sich bemerkbar, dass Narkosen mittlerweile so dosiert werden könnten, dass keine lange Erholung davon mehr nötig sei. Immer schonendere OP-Techniken täten ein Übriges. Beispielsweise würden auch nur noch selbstauflösende Fäden verwendet.

Tumore durch HPV-Virus statt durchs Rauchen

Tumore „vom Rauchen und Trinken“ seien immer häufiger schon bei 40- bis 45-Jährigen festzustellen. Das hatte Keerl 2001 bilanziert. Früher habe man das eher bei Männern um die 60 gesehen, Frauen emanzipierten sich auch hier. Hat sich das fortgesetzt? „Die Raucher sind weniger geworden“, so seine verblüffende Antwort. Es gebe ein neues Krankheitsbild, das HPV-Virus, das Infektionen verursache, aber langfristig auch Krebs im HNO-Gebiet. 50 Prozent sei zwischenzeitlich darauf zurückzuführen, sagt er. Seit fünf Jahren werde gegen HPV geimpft, bei Kindern von 9 bis 14 Jahren – vor den ersten Sexualkontakten. Diese Impfung werde sich langfristig auszahlen, ist er überzeugt.

Klinikum ab August komplett digitalisiert

Digitalisierung ist ein Stichwort, das gerade jetzt im Zusammenhang mit dem Medizinbetrieb häufig fällt. Keerl war immer schon „ein begeisterter Digitalisierer“. Schon als Computer noch Riesenapparate waren. Als er am Klinikum 2001 angefangen hat, lobte er im Tagblatt-Interview die elektronische Vernetzung des Klinikums, die in anderen Häusern noch nicht so weit gewesen sei. OP-Berichte würden per Intranet verschickt und seine Sekretärin führe einen elektronischen Terminkalender. Darüber lacht man heute – eine Selbstverständlichkeit. „Ab August wird das Klinikum komplett digitalisiert sein“, sagt Keerl, der an diesem Prozess gerne und aus Überzeugung mitgearbeitet hat. Der Bund habe viel Geld investiert und das Klinikum habe sich davon eine ordentliche Scheibe abschneiden können. „Wir werden keine Akten mehr haben“, sagt er. Visiten würden mit Laptop gemacht, auf dem Röntgenbilder, Schmerz- und Fieberverläufe präsent seien. Befunde diktiere er längst per digitaler Spracherkennung.

"Corona hat uns im Krankenhaus erschöpft“

Jetzt ist seine Abteilung „in gute Hände abzugeben“. Die guten Hände sind längst gefunden, Keerl macht seinen Nachfolger Privatdozent Dr. Antoniu-Oreste Gostian (wir berichteten) seit einem halben Jahr etappenweise mit den Gegebenheiten vertraut. Der Übergang soll, ja er müsse angesichts der engen Arbeitstaktung nahtlos sein. Gostian komme von einer der Top-HNO-Kliniken Deutschlands, aus Erlangen, und werde hochinteressente Facetten in das bisherige Straubinger HNO-Spektrum einbringen, verspricht sich Keerl.

Corona? „Es hat uns erschöpft“, sagt er. Das Personal sei ausgelaugt und frustriert. Nach wie vor gebe es die Maskenpflicht in Krankenhäusern, während draußen vor der Tür die Toleranz gesunken und der Unmut über Corona-Beschränkungen gestiegen sei. „Wir müssen jetzt alles tun, um in die Normalität zurückzukommen.“ Für den Ruhestand vorgenommen hat sich Keerl, weiter viel am kulturellen Leben Straubings teilzuhaben. Und er freut sich auf seine beiden Enkelkinder. Ansonsten hat er keine hochtrabenden Pläne. „Zur Ruhe kommen ohne Verantwortung, das Zeitkorsett loswerden, Dinge machen und dafür die Zeit haben.“

Quelle: Monika Schneider-Stranninger, Straubinger Tagblatt vom 20.01.2023

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